Montag, 16. Oktober 2023

Transit: Italien klagt gegen Österreich

Die italienische Regierung hat am Montag die bereits mehrmals angekündigte Klage Italiens gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen beschlossen. Dies kündigte der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini am Ende einer Ministerratssitzung in Rom an.

Der Brenner bleibt ein Nadelöhr im innereuropäischen Güterverkehr. - Foto: © APA/DPA/STEFAN PUCHER / DPA/STEFAN PUCHER

Es handle sich um eine „schwierige, aber zwingende Entscheidung angesichts der Haltung der EU-Kommission und der Unmöglichkeit eine Verhandlungslösung zu erreichen.“

„Erstmals in der Geschichte der italienischen Republik hat der Ministerrat den Rekurs beim EuGH in Luxemburg gegen die Transitverbote beschlossen, die die österreichische Regierung einseitig am Brenner aufgezwungen hat“, erklärte Salvini. Damit beginne ein „präzedenzloses Verfahren, in dem wir auch andere Länder einbinden werden“, erklärte der Lega-Politiker bei einer Pressekonferenz.

Verkehrsminister Matteo Salvini. - Foto: © APA / EXPA/JOHANN GRODER

Frächter begrüßen Klage

Die italienischen Frächter begrüßten den Beschluss des Ministerrats in Rom. „Nach 7 Jahren und zahlreichen Verkehrsministern verteidigt Italien dank Verkehrsminister Salvini, der sein Wort gehalten hat, endlich nicht so sehr nur die italienischen Unternehmen, sondern die europäische Wirtschaft“, kommentierte der Chef des Frächterverbands Conftransporto Paolo Uggè.

Der Landeshauptmann des Bundeslandes Tirol, Anton Mattle, sieht wenig Erfolgschancen für die italienische Regierung. „Italien wird mit seiner Maximalforderung, nämlich die Aufhebung aller Tiroler Verbote, keinen Erfolg haben“, so Mattle. Rechtsexperten - wie der Europarechtler Walter Obwexer, der die Landesregierung berät - „geben der Klage keine große Chance.“

Tajani versuchte Wogen zu glätten

Vor dem Ministerrat hatte der italienische Außenminister Antonio Tajani versucht, die Wogen zu glätten. „Wir prüfen, was am Brenner geschieht. In diesem Fall muss Vernunft überwiegen. Ich hoffe, dass am Schluss eine Lösung gefunden wird“, sagte Tajani bei einem Wahlkampfauftritt anlässlich der Südtiroler Landtagswahl in Bozen am Sonntag.

Außenminister Antonio Tajani. - Foto: © APA/POOL/AFP / Tobias Schwarz



Tajani betonte, dass er nach wie vor „gute Beziehungen“ zu Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) habe. „Ich hoffe, dass Österreich begreift, dass es wirtschaftliche Interessen gibt. Nicht nur auf italienischer Seite und natürlich stets unter Berücksichtigung der Umwelt. Ich hoffe, dass die Vernunft überwiegen wird, denn harte Positionen drohen nur Schäden anzurichten“, erklärte der Minister.

Nun ist EU-Kommission an der Reihe

Laut Artikel 259 kann jeder EU-Mitgliedstaat den EuGH anrufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderes Mitglied gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, hatte Salvini vergangene Woche betont. Bevor ein Mitgliedstaat wegen einer angeblichen Verletzung der Verpflichtungen aus den Verträgen gegen einen anderen Staat Klage erhebt, muss allerdings die EU-Kommission damit befasst werden.

Die EU-Kommission erlässt eine mit Gründen versehene Stellungnahme und gibt den beteiligten Staaten zuvor Gelegenheit zu schriftlicher und mündlicher Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren. Gibt die Kommission innerhalb von 3 Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem ein entsprechender Antrag gestellt wurde, keine Stellungnahme ab, so kann ungeachtet des Fehlens der Stellungnahme vor dem Gerichtshof geklagt werden.

Anti-Transitmaßnahmen: Ein leidiges Thema

Die Diskussion um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen auf der Brennerstrecke wie Sektorales Fahrverbot, Nachtfahrverbot oder Blockabfertigungen schwelt seit Jahren zwischen Italien und Deutschland auf der einen und Österreich auf der anderen Seite. Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hatte – mit Unterstützung von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) – wiederholt klargemacht, an den Anti-Transitmaßnahmen festhalten zu wollen und nicht von der Regulierung des Schwerverkehrs abzurücken, solange es keine große europäische Lösung gebe.

Salvini geißelte dagegen – unter anderem vergangene Woche am Brenner – stets das Vorgehen Österreichs und betrachtet es als EU-rechtswidrig. Der EU-Kommission warf er Untätigkeit vor, da sie nicht von sich aus ein EU-Vertragsverletzungsverfahren einleitet.

Einigung über Slot-System

Auf regionaler Ebene hatte es dagegen heuer an der Transit-Front eine Einigung gegeben. Die Landeschefs von Bayern, Tirol und Südtirol – Markus Söder (CSU), Anton Mattle (ÖVP) und Arno Kompatscher (SVP) – hatten im April in Kufstein öffentlichkeitswirksam ein „Slot-System“ präsentiert.

Für ein solches digitales, grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement müsste aber ein Staatsvertrag zwischen Österreich, Deutschland und Italien abgeschlossen werden. Ein solcher ist noch in weiter Ferne. Denn Salvini zeigte sich bisher strikt ablehnend - er will erst darüber reden, wenn die transiteinschränkenden Maßnahmen und Fahrverbote aufgehoben werden. Auch Deutschland reagierte sehr reserviert.

apa/stol

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