Sonntag, 4. Februar 2024

Künstliche Intelligenz in der Apfelwiese: „Die Zukunft ist technisch“

Andreas Pichler vom Baumgartnerhof in Natz ist ein Mathematiker und auf Künstliche Intelligenz spezialisiert. Aber er ist auch Bauernsohn. Und er hat eine Software entwickelt, die mit einfachen Handykameras Südtiroler Apfelbaubetrieben dabei helfen soll, bessere und stabilere Erträge zu erzielen. Im Interview erklärt er, wie das Konzept funktioniert.

Andreas Pichler hat in Wien Mathematik studiert und anschließend in der Bauindustrie und der industriellen Produktion als Entwickler für maschinelles Lernen gearbeitet: „Ich habe gesehen, wie man mit KI aus großen Datenmengen Informationen gewinnen kann.“ Seit 2 Jahren lebt er wieder in Natz und arbeitet an seinem eigenen Projekt.

Von:
Katrin Niedermair
„Naturamon“ heißt Andreas Pichlers System: Mithilfe von einfachen Handy- und Actionkameras, die am Traktor angebracht werden, kann Künstliche Intelligenz dem Obstbauer dabei helfen, jeden seiner Bäume gezielt zu erfassen und entsprechend zu behandeln.

Das System liefert eine präzise Übersichtskarte mit Informationen zu Blüten, Blättern und Früchten pro Baum. Pichler plant den Ausbau zu einem umfassenden Krankheits- und Schädlingsmonitoring-System im Obst- und Weinbau.

STOL: Wie kann KI die Arbeit der Bauern erleichtern?
Andreas Pichler: Der Clou ist nicht nur die Erleichterung, sondern die Optimierung: Mit Hilfe von KI holt der Bauer mehr heraus. Sind die Arbeitsschritte früh in der Entwicklung der Äpfel besser, hat er auch ein besseres Ergebnis.

STOL: Können Sie uns ein Beispiel geben?
Pichler: Je präziser die Blütenausdünnung ist, desto weniger kleine Äpfel sind später per Hand auszudünnen.

STOL: Wie hilft Ihr System dabei?
Pichler: Naturamon ist ein Monitoringsystem: Beim Durchfahren mit dem Traktor wird ein Video in der Anlage gemacht, das jeden einzelnen Baum zeigt. Der Bauer nimmt einfach eine Handy- oder Actionkamera und geht oder fährt damit durch die Reihen. Der Traktor wird zum Medium, damit die Aufnahmen gleichmäßig werden, während der Bauer etwas anderes macht. Die Videos werden gesammelt, in die Cloud geschickt und von der KI verarbeitet.



STOL: Was hat der Bauer davon?
Pichler: Die Kamera dokumentiert, wie viele Blüten oder Früchte am Baum sind und wo sie sind. Der Bauer bekommt eine Karte, die ihm zeigt, in welchen Bereichen mehr Blüten sind und in welchen weniger. Dadurch weiß er, wie er die verschiedenen Bereiche behandeln muss – und nicht alle gleich. Mein Ziel ist es, diese Daten mit präzisionsgesteuerten Sprühern zu verbinden. Die Bilder dienen jedenfalls als Informationsgrundlage, um verschiedene Teilschritte zu machen.

STOL: Was ist das Neue daran?
Pichler: Ich habe die KI zum System entwickelt, also die Modelle, die die Videos analysieren.

STOL: Wie sind Sie darauf gekommen?
Pichler: Ich bin Mathematiker, spezialisiert auf KI, und habe nach meinem Studium in Wien in dem Bereich gearbeitet. Irgendwann habe ich beschlossen, das mit der Arbeit am Bauernhof zu verbinden. Wir haben einen Bauernhof daheim, ich bin mit der Arbeit in der Apfelwiese aufgewachsen. Ich bin Techniker und ich kenne die Arbeit am Hof.

Wir haben im Obstbau schwierige Jahre. KI ist eine gute Möglichkeit, resilienter zu werden, damit die Südtiroler Obstwirtschaft langfristig überlebensfähig ist.
Andreas Pichler, Naturamon



STOL: Glauben Sie, dass die Obstbauern in Südtirol Bedarf nach technischer Präzision in den Anlagen haben?

Pichler: Auf jeden Fall! Wenn man es schafft, paar Prozent mehr herauszuholen, hat das einen großen Effekt auf den Gewinn. Man unterschätzt oft, wie viel das ausmacht. Wir haben im Obstbau schwierige Jahre. KI ist eine gute Möglichkeit, resilienter zu werden, damit die Südtiroler Obstwirtschaft langfristig überlebensfähig ist.

STOL: Das müssen Sie uns noch etwas genauer erklären…
Pichler: Bleiben wir beim Beispiel der Blüten: Wenn ich im Frühling Blüten nicht wegsprühe, die ich brauche, habe ich mehr Ertrag. Wenn ich früh genug die richtigen Blüten und die richtigen kleinen Früchte entferne, schaffe ich für die anderen einen Wachstumsvorsprung. Jeden Arbeitsschritt kann man auf diese Weise optimieren. Damit bringe ich Konstanz in die Anlage und vermeide Pendelbewegungen mit Jahren kleiner Früchte und Jahren größerer: Das Ziel ist jedes Jahr das optimale Mittel zu schaffen.

STOL: Bis wann soll Naturamon marktreif sein?
Pichler: Wir haben einen Prototypen, den wir in unseren Anlagen und jenen befreundeter Bauern getestet haben. Er hat gut funktioniert. Jetzt gehen wir in eine Testphase, an der mehrere Bauern in ganz Südtirol teilnehmen. Wir erhoffen uns Rückmeldungen dazu, für wie nützlich sie die Lösungen empfinden. Jeder Bauer hat andere Probleme und arbeitet anders. Ich bin gespannt, wie das System angenommen wird. Spätestens Anfang nächsten Jahres soll das System für alle Bauern erhältlich sein.

STOL: Wie viel muss der Bauer zu zahlen bereit sein, um Ihre Künstliche Intelligenz in seine Wiese zu bringen?
Pichler: Ziel ist es, dass es weniger kostet, als es Nutzen bringt. Deshalb sollen auch handelsübliche Kameras eingesetzt werden: Smartphone-Kameras liefern inzwischen erstklassige Bilder. Damit können wir hohe Investitionskosten vermeiden. Müsste der Bauer 20.000 Euro oder mehr zahlen, wäre das eine viel zu hohe Hürde für die Anschaffung.

STOL: Welche Rückmeldungen haben Sie bisher bekommen?
Pichler: Durchwegs positive. Es gibt ein Bewusstsein dafür, dass die Zukunft technisch ist.

Stellenanzeigen


Teilzeit






Teilzeit





powered by
Kommentare
Kommentar verfassen
Bitte melden Sie sich an um einen Kommentar zu schreiben
senden