Donnerstag, 17. August 2023

Die Südtiroler und ihre Impfskepsis: Neue Studie untersucht die Ursachen

Die Impfbereitschaft ist in Südtirol schwach ausgeprägt und liegt weit unter dem gesamtstaatlichen Durchschnitt. Das ist hinlänglich bekannt. Doch woher kommt die Impfskepsis und was haben der Wohnort und die Sprache damit zu tun? Das hat das Institut für Allgemeinmedizin nun erhoben.

Die Südtiroler lassen sich nicht besonders gern piksen – ganz gleich ob Corona- oder Kinderimpfung. - Foto: © Shutterstock / shutterstock

Im Rahmen von 5 Studien zwischen März und April 2021 hat das Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen versucht, der Impfskepsis im Land auf den Grund zu gehen.

Die Ergebnisse laut Zuschrift: In ländlichen Bereichen, unter Personen mit geringerem Bildungsniveau und in Haushalten mit kleinen Kindern wurde die größte Impfzögerlichkeit festgestellt. Impfentscheidungen werden von persönlichen, sozialen und kulturellen Faktoren beeinflusst. Aufklärung und Dialog können jedoch dazu beitragen, die Impfskepsis zu verringern.

Fast 1500 volljährige Südtiroler befragt

„Die Studien des Institutes für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen fanden in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Landesinstitut für Statistik Astat statt. Mehr als 4000 volljährige Bürgerinnen und Bürger wurden zur Teilnahme an einer Online-Umfrage eingeladen“, erläutert Dr. Verena Barbieri, Biostatistikerin am Institut für Allgemeinmedizin. 1425 Personen beteiligten sich an der Umfrage, das entspricht einer Rücklaufquote von rund 32 Prozent.

Dr. Adolf Engl (Präsident des Instituts, von links), Dr. Giuliano Piccoliori (Wissenschaftlicher Leiter des Instituts), Prof. Christian Wiedermann (Koordinator der Forschungsprojekte)<?ZE?><?ZE?> - Foto: © Institut für Allgemeinmedizin und public health

Ergebnis: „Spiegelbild der Südtiroler Gesellschaft“

„Die Ergebnisse können als Spiegelbild der Südtiroler Gesellschaft betrachtet werden, da das Statistikinstitut Astat mit qualifizierten Methoden eine Stichprobe der Bevölkerung ausgewählt hat, die der Südtiroler Gesamtbevölkerung bezüglich Alter, Geschlecht und Wohnsitzgemeinde entspricht. Die Studien sind repräsentativ für unser Land“, erklärt Dr. Barbieri.

Warum gibt es in Südtirol eine niedrige Impfrate?

Im Vergleich zu anderen Regionen und Provinzen in Italien weist Südtirol eine niedrigere Impfrate auf – sowohl bei Impfungen gegen das Coronavirus als auch bei den Pflichtimpfungen und den empfohlenen Impfungen, bei denen Südtirol weit unter dem gesamtstaatlichen Durchschnitt liegt. Zum Beispiel bei Kinderimpfungen: Hier lag die Impfquote 2021 italienweit bei ca. 94 Prozent, in Südtirol hingegen bei 71 bis 75 Prozent.

Vielfältige und komplexe Gründe

„Die niedrigen Impfraten in Südtirol wurden durch eine Kombination von Misstrauen gegenüber Politik und Sanitätsbetrieb, verbreiteten Fehlinformationen und wohl auch spezifischen kulturellen Unterschieden innerhalb der Gemeinschaft beeinflusst“, erläutert Prof. Dr. Christian Wiedermann, Koordinator der Forschungsprojekte des Instituts.

Gefälle Stadt–Land

„Im Vergleich zwischen Stadt und Land bestätigte sich eine höhere Impfbereitschaft in städtischen Gebieten, während unter den Sprachgruppen vor allem die deutschsprachige Bevölkerung eine niedrigere Impfrate aufwies“, erklärt Prof. Wiedermann. Das liege nicht direkt an der Stadt oder der Sprache, sondern an auf dem Land und unter der deutschsprachigen Bevölkerung häufigeren Bedenken: „Zum Beispiel historisch gewachsenes Misstrauen gegenüber den Anordnungen des italienischen Staates oder gegenüber dem Gesundheitssystem und den damit verbundenen Sichtweisen“.

Impfskeptiker oder Impfgegner?

„Impfskeptiker sind nicht zwingend Impfgegner. Mit Impfgegnern einen Dialog zu führen, ist schwieriger, weil diese tief verwurzelte Überzeugungen haben, die nur schwer geändert werden können“, betont Dr. Giuliano Piccoliori, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts und Arzt für Allgemeinmedizin.

Alles eine Frage der Kommunikation

„Für uns Hausärztinnen und Hausärzte, aber auch für die Kinderärztinnen und Kinderärzte ist es wichtig, eine Gesprächsbasis mit Impfgegnern zu finden, auf der ein Dialog aufgebaut werden kann, um ihren Anliegen vorurteilslos und ohne Konfrontation zu begegnen. Bei impfskeptischen und -zögerlichen Personen hingegen ist das Zuhören unerlässlich, damit diese all ihre Fragen, Gedanken, Sorgen und Zweifel offen mitteilen können“, unterstreicht Dr. Piccoliori.

Hausärztinnen und Hausärzte bräuchten viel Empathie, um eine Beziehung des gegenseitigen Vertrauens zu ihren Patienten aufzubauen. Es sei wichtig, allen Bürgern klare und verständliche Informationen zur Verfügung zu stellen, um dadurch Missverständnisse und Fake News vermeiden zu können, so Dr. Piccoliori.

Welche Lehren können aus den Studien gezogen werden?

„Für Südtirols Allgemeinmediziner sollten gezielte Schulungen organisiert werden, um sowohl die Beratungskompetenz zu erweitern als auch das Wissen zu vertiefen“, rät Dr. Piccoliori. Die Kommunikation mit den Patienten gilt es zu optimieren.

„Die Impfskepsis kann definitiv verringert werden – durch Information und Aufklärung, durch vertrauenswürdige Botschafter und durch wissenschaftlich gesichertes Storytelling“, ergänzt Prof. Dr. Christian Wiedermann.

Für eine gesunde Gesellschaft

„Zukünftige Aufgaben für uns sind daher das intensivere Bemühen um die Bekämpfung von Fehlinformationen, das Aufbauen von Vertrauen in öffentliche Gesundheitsbehörden und das Berücksichtigen der kulturellen Unterschiede bei Gesundheitskampagnen“, schlussfolgert Prof. Wiedermann. Das fördert letztlich die Gesundheit der Gesellschaft“, hält Institutspräsident Dr. Adolf Engl abschließend fest.

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