Der Verdächtige hat sich bisher zum Tathergang und zu den Tatgründen nicht geäußert. Die Haftprüfung wird voraussichtlich am Mittwoch stattfinden. „Bis dahin ist alles, was wir sagen können, Spekulation“, schickt Dr. Lun voraus.
Dass das Opfer und der Verdächtige in einer Beziehung standen, ist bekannt. Würde sich der dringende Tatverdacht bestätigen, reihte sich der Mord an Celine Frei Matzohl in die traurige Folge jener ein, die als Femizid in die Statistik eingegangen sind.
„Es ist ein soziokulturelles Problem“
Was treibt einen Menschen dazu, einen anderen anzugreifen und zu töten? Warum werden Männer – besonders häufig: ehemalige Partner – zu Tätern? Dr. Sigrid Lun sagt: „Es passiert selten, dass eine Frau einen Mann angreift und umbringt. Daher muss man sich die Frage stellen, warum Männer es tun.“Allein das zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Tätern zeige: „Es ist ein soziokulturelles Problem. Sonst wären gleich viele Männer durch Frauen gestorben, wie es umgekehrt der Fall ist.“
„ Täter sind häufig getrieben durch Frauen-herabwürdigende und -verachtende Motive. ”
— Dr. Sigrid Lun, Psychiaterin
Sie sagt: „Hinter Femiziden steht eine sehr geringe Frustrationstoleranz.“ Patriarchale Denkweisen seien in solchen Fällen gehäuft festzustellen: „Täter sind oft getrieben durch Frauen-herabwürdigende und -verachtende Motive. Die männlichen Täter empfinden ihr Geschlecht jenem der Frau übergeordnet“, erklärt sie. „Sie sind vom Gedanken getrieben, dass die Opfer kein Recht hätten, selbst über ihr Leben zu entscheiden.“
Die Täter möchten Kontrolle ausüben: „Femizide erfolgen in den meisten Fällen bewusst“, weiß die Psychiaterin. „Wenn ich nicht aushalte, dass ich verlassen werde; wenn ich nicht aushalte, dass ich meinen Willen nicht durchsetzen kann; wenn ich mich unterlegen fühle und meine Position wiederherstellen möchte: Wenn ich gewohnt bin, das durch Gewalt zu tun, übe ich eher Gewalt aus.“
Geschlechterrollen und Legitimierung von Gewalt: International verschieden
Oft bekämen selbst heute noch Männer von ihren Müttern vermittelt, ein Mann müsse stark sein, dürfe sich nichts gefallen lassen. Dr. Lun: „Solche Denkweisen sind in den verschiedenen Ländern der Welt in unterschiedlichem Maße verbreitet. Das geht Hand in Hand mit der gesellschaftlichen Legitimierung von Gewalt.“Dr. Sigrid Lun sagt: „Es gibt Studien aus Amerika, die zeigen, dass die Gewaltbereitschaft mit Armut als verstärkendem Faktor zunimmt, genauso wie mit niedrigem akademischem Niveau und Problemen der psychischen Gesundheit.“
Ihr Appell: „Es ist wichtig, dass wir uns überlegen, was sich ändern muss. Menschen kann man schwer verändern. Aber wir können Strukturen und Rollenbildern ändern: Dann müssen wir hoffen, dass sich die einzelnen Menschen auch danach ausrichten. Das fängt mit der Erziehung an.“
„Es ist besorgniserregend, dass die Gewalt an Frauen unverändert weitergeht. Das macht mir Angst. Wir müssen umdenken und Prävention leisten. Dieses Thema darf nicht in Vergessenheit geraten. Es gilt, schon im Kleinen zu schauen: Was kann man verändern? Es muss Hilfe geben – für Frauen und für Männer.“
Ein tiefergehendes Gespräch mit Dr. Sigrid Lun zum Thema finden Sie hier.