Dienstag, 6. Februar 2024

„Meine Tochter wird wohl noch lange im Gefängnis bleiben“

Die italienische Aktivistin Ilaria Salis sitzt seit mehr als einem Jahr in Ungarn in Untersuchungshaft. Diplomatisches Bemühungen, um die Italienerin daraus zu befreien, haben bislang keine Früchte getragen. Ihr Vater, Roberto Salis, gab sich nach einem Treffen mit Regierungsvertretern desillusioniert: „Wir werden allein gelassen.“

Roberto Salis traf Vertreter der Regierung. - Foto: © ANSA / FABIO FRUSTACI

„Es ist schlimmer gelaufen als wir erwartet haben. Wir sehen keine Möglichkeit, die Situation meiner Tochter zu verbessern. Wir wurden allein gelassen“, erklärte Roberto Salis, der Vater der in Ungarn inhaftierten 39-jährigen Ilaria Salis, nach einem Treffen mit den Außen- und Justizministern Antonio Tajani und Carlo Nordio.

Bei dem Treffen hätte er um 2 Dinge gebeten: Hausarrest in Italien oder alternativ in der Botschaft in Ungarn – beides wurde abgelehnt. „Ich denke, meine Tochter wird noch lange im Gefängnis bleiben – und wir werden sie bei den Prozessen in Ketten sehen“, so Salis zur Nachrichtenagentur Ansa.

Roberto Salis - Foto: © ANSA / FABIO FRUSTACI

„Staat will nichts unternehmen“

Anschließend machte Roberto Salis auch der Regierung um Giorgia Meloni Vorwürfe: „Der italienische Staat hat nicht die Absicht, irgendetwas zu unternehmen. Alles hängt vom ungarischen Richter ab, der die Dokumente, um die wir gebeten haben, um die Arbeit unserer Anwälte zu erleichtern, nicht zur Verfügung stellen will, weil sie sagen, dass dies irritierend wäre und Präzedenzfälle schaffen könnte. Als wir ihm sagten, dass er Garantien für die Anwendung der Maßnahmen des Hausarrests in Italien geben würde, meinten sie, dass dies als ,excusatio non petita' für den italienischen Staat angesehen würde. Wir werden versuchen müssen, etwas zu tun.“

Ilaria Salis sitzt seit mehr als einem Jahr im ungarischen Gefängnis. - Foto: © ANSA / ansa



Für seine Tochter werde nun „Gefängnis bis zum bitteren Ende geben“ – bis der ungarische Richter den Prozess beendet habe. „Aber in diesem Gefängnis kann man auch sterben“, mahnte Salis nach dem Treffen mit den Ministern.

2500 Italiener in ähnlicher Situation

Bei dem Treffen habe Salis auch erfahren, dass sich rund 2500 Italiener in einer ähnlichen Situation wie seine Tochter befänden. „Sie sagen, dass niemand bevorzugt werden darf. Aber wenn wir sie alle dort lassen, sind wir dann ein Staat, der seine Bürger verteidigt? Es ist absurd“, fährt er fort, „dass diese Art von Situation auf dem Rücken der italienischen Bürger ausgetragen wird, ohne dass diejenigen, die etwas tun können und protestieren müssen, aktiv werden.“

Salis mahnte an, dass seine Tochter im Gefängnis gefoltert worden sei: „Und nicht einmal eine Protestnote kam von unserem Außenministerium. Ich habe den Eindruck, dass das Funktionieren des Staates völlig aus den Fugen geraten ist, ich sehe keinen Informationsfluss, und das geht zu Lasten von Menschen wie meiner Tochter.“

Rechtliche und faktische Hindernisse

Die Minister Tajani und Nordio wiesen darauf hin, dass die Grundsätze der staatlichen Justizhoheit jede Einmischung in den Ablauf des Verfahrens und in die Änderung der Haftbedingungen der Verdächtigen verbieten würden. Außerdem legten sie rechtliche und faktische Gründe dar, aus denen es nicht möglich sei, bei der italienischen Botschaft die Ersetzung der vorsorglichen Maßnahme zu beantragen.

Salis traf Außen- und Justizministern Antonio Tajani und Carlo Nordio. - Foto: © ANSA / FABIO FRUSTACI / Z23



Nordio wies insbesondere darauf hin, dass ein Briefwechsel zwischen einem italienischen Ministerium und einer ausländischen Justizbehörde irritierend und unzulässig sei.

Tajani hob die Schritte hervor, die die Premierministerin bereits bei Präsident Orbán und er persönlich bei 2 Gelegenheiten mit dem ungarischen Außenminister unternommen habe. Gleichzeitig wies Minister Nordio darauf hin, dass es angebracht wäre, dass der ungarische Staatsanwalt bei den zuständigen Behörden auf eine Änderung der Haftbedingungen dränge, die eine unabdingbare Voraussetzung für die Aktivierung des EU-Rahmenbeschlusses von 2009 und damit für die mögliche Vollstreckung des Hausarrests in Italien sei.

Unterberger: „Inakzeptable Haltung“

Zum Fall Ilaria Salis hat sich kürzlich auch die Vorsitzende der Autonomiegruppe im Senat, Julia Unterberger, geäußert: „Die peinlichen Äußerungen und das Schweigen einiger Exponenten des rechten Flügels in der Affäre Ilaria Salis sind ein Beweis dafür, wie stark ihre Verbindungen zum illiberalen Regime Orbans sind. Was Salis in Ungarn erleidet, ist eine Beleidigung der elementarsten Grundsätze des europäischen Rechts.“ Mehr dazu lesen Sie hier.

SVP-Senatorin Julia Unterberger. - Foto: © privat

Der Fall

Die Grundschullehrerin Ilaria Salis bezeichnet sich selbst als Antifaschistin. Ihr wird zur Last gelegt, mit anderen Beteiligten aus der linken Szene im Februar vergangenen Jahres eine Gruppe von Rechtsextremen angegriffen zu haben, die an eine Aktion der Waffen-SS und ungarischer Soldaten im Jahr 1945 erinnern wollten. Dabei wurden nach Angaben der Behörden 9 Menschen verletzt, 6 davon schwer. Wegen dieser Vorhaltungen sitzt Salis seit einem Jahr in Untersuchungshaft und muss mit einer Strafe von bis zu 11 Jahren rechnen.

Ilaria Salis bei der Gerichtsverhandlung. - Foto: © ANSA / PETER MAGYAR



Gegen die Mailänderin und ein mitangeklagtes deutsches Paar hatte am Montag in Budapest ein Prozess begonnen, bei dem sie in Hand- und Fußfesseln in den Gerichtssaal gebracht wurde. Dies hatte in Italien für Aufsehen gesorgt.

pho

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