Donnerstag, 24. August 2023

Menschen mit Behinderung: „Enttäuscht von Politik in Südtirol“

Else Stieler wehrt sich, wenn es darauf ankommt: Im vergangenen Jahr kämpfte die 53-Jährige aus Klobenstein monatelang dafür, dass ihr Sohn Tobias und seine Kollegen wieder ganztags in die betreute Werkstatt in Kardaun konnten. Mit Erfolg: Nach einem Krisentreffen mit Landeshauptmann Kompatscher und anderen Verantwortlichen kam Schwung in die Sache. Und wie sieht es heute aus? STOL hat nachgefragt.

Sie machen das Beste draus: Else Stieler mit Sohn Tobias und Ehemann Manfred.

„Naja“, sagt Else Stieler. Die Werkstatt sei geöffnet und Tobias glücklich darüber, wieder arbeiten zu können. „Aber unsere Euphorie ist einiger Ernüchterung gewichen.“

2022 hatte STOL über Monate vom Kampf der Eltern behinderter Kinder berichtet, die wegen Personalmangel in den Betreuungseinrichtungen vor dem Problem standen, dass diese nicht mehr ganztags öffnen konnten. Wer sollte sich nun um die Schutzbedürftigen kümmern und die teils betagten Eltern entlasten?

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„Versprochene Treffen haben nie stattgefunden“

Bei einem Krisentreffen mit Landeshauptmann Arno Kompatscher sagte dieser: „Es war wichtig, dass die Betroffenen, Eltern, Mitarbeiter und Leiter, selber die Möglichkeit hatten, die Situation aus ihrer Sicht zu schildern.“ Die Belastungen der Pandemie-Jahre, der akute Personalmangel, die Demotivation für alle Beteiligten und die Frage, wie mit all dem umzugehen sei: „Diese Situation werden wir nicht mit einem Fingerschnippen lösen können“, sagte Kompatscher damals. Aber man wollte Auswege suchen – diese Offenheit haben Eltern und Mitarbeiter wertgeschätzt. (STOL hat über das Treffen berichtet.)

Die bei der Aussprache zugesagten regelmäßigen Treffen hätten aber dann nicht stattgefunden, bemängelt Else Stieler. „Nach dem einen Mal war Schluss“, sagt sie. „Dabei gäbe es noch einige Baustellen. Ich bin es leid, immer als Bittstellerin auftreten zu müssen. Wenn man als betroffene Familie nicht richtig laut ist und in der Öffentlichkeit seine Stimme erhebt, passiert wenig für die Anliegen von Menschen mit Behinderung.“

Problem: Sommerbetreuungszeiten und Transport

Die Werkstatt in Kardaun arbeite wieder – das sei positiv: „Tobias ist immer sehr glücklich, wenn er dorthin kann“, sagt seine Mutter. Doch gerade jetzt im Sommer gebe es Lücken: „Derzeit gibt es eine Sommerwerkstatt – dort machen unsere Kinder im Grunde dasselbe wie während des gesamten Jahres, mit mehr Kaffeepausen und mehr freier Zeit. Aber für die Sommermonate gibt es keinen organisierten Transport, wie es ihn während des übrigen Jahres gibt. Wir Eltern müssen unsere Kinder selbst jeden Tag nach Kardaun fahren.“ Das Fahrtgeld bekämen die Eltern zwar ersetzt – „aber das ist kein besonders effizientes System. Ich verstehe nicht, warum man den Transport nicht während des gesamten Jahres gewährleistet. Das wäre doch für alle Beteiligten einfacher.“

In der Sache sei sie bereits bei der Bezirksgemeinschaft vorstellig geworden. „Niemand konnte mir eine Erklärung dafür geben, warum es im Sommer keinen organisierten Transport gibt“, bemängelt Stieler.

Menschen mit Behinderung nicht vergessen“

„Für uns Eltern gibt es auf diese Weise im Sommer keine Ferien“, bemängelt sie. „Im August schließt die Werkstatt für 2 Wochen – genau dann, wenn es überall am teuersten ist.“ Auch das sei nicht ideal für die Familien. „Ein Altersheim kann auch nicht einfach für Wochen schließen und die Bewohner heimschicken. Alle Welt diskutiert darüber, die Betreuungszeiten in Kindergarten und Schule zu verlängern – an die Menschen mit Behinderung denkt niemand.“

Dass immer mangelnde finanzielle Ressourcen ins Feld geführt würden, lässt Stieler nicht gelten: „Für alles Mögliche ist Geld da – an den Menschen wird gespart.“ Dabei seien gerade alte und hilfsbedürftige besonders auf gesellschaftliche Unterstützung angewiesen. „Die Prioritäten müssten dringend überdacht werden.“

kn

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