Donnerstag, 5. Oktober 2023

Tragisches Ende eines Tagesausflugs: Nach Busunglück viele Fragen offen

Venedig gehört zu den bekanntesten Reisezielen der Welt. Markusplatz, Rialtobrücke, Dogenpalast: Die Stadt steht für so viel. Nun aber auch für ein schreckliches Busunglück mit mehr als 20 oten. Wie konnte es dazu kommen?

Der Bus durchbrach die Leitplanken. - Foto: © ANSA / Marco Albertini

Der Ausflug war fast schon vorbei: ein Tag in Venedig, dann mit dem Bus aus der Lagunenstadt zurück aufs italienische Festland. Auf einen Campingplatz im Stadtteil Marghera, wo die Übernachtung deutlich weniger kostet als in der Nähe von Markusplatz oder Rialtobrücke. Keine Viertelstunde Fahrt normalerweise.

Doch dann, nur 3 Kilometer vor dem Ziel, die Katastrophe: Aus ungeklärter Ursache kommt der Bus mit knapp 40 Tagestouristen am Dienstagabend von der höher gelegenen Fahrbahn in dem Festlandstadtteil Mestre ab und stürzt 15 Meter in die Tiefe.

Die Bilanz: 21 Todesopfer und 15 Verletzte. Es sollen auch 3 Deutsche ums Leben gekommen sein, wie die Nachrichtenagentur Ansa am Mittwochabend unter Berufung auf die zuständige Präfektur meldete.

Video zeigt tragischen Unfall

Wie inzwischen so oft in solchen Momenten machen Handyvideos schnell die Runde. Es sind Bilder des Grauens: Ein Blick von der Brücke hinunter. Von den verrosteten Leitplanken ist nicht mehr viel übrig.

Im Scheinwerferlicht der fast völlig ausgebrannte Bus. Nur notdürftig bedeckte Leichen. Dazwischen der Patriarch von Venedig, Bischof Francesco Moraglia, der einsam stehend noch in der Nacht die Toten segnet. In den Worten des Bürgermeisters Luigi Brugnaro: „Eine Apokalypse“.



Über den schwierigen Rettungseinsatz in Mestre berichtete Christian Auer, Hauptbrandinspektor der Berufsfeuerwehr Bozen.

Alle Opfer identifiziert

Alle 21 Toten des tragischen Unglücks konnten inzwischen identifiziert werden. 9 Ukrainer, 4 Rumänien und 3 Deutsche, kamen ebenso wie der italienische Busfahrer ums Leben, wie ein Sprecher des Bürgermeisters von Venedig, Luigi Brugnaro, am Mittwochabend mitteilte. Weitere Tote stammten aus Portugal, Südafrika und Kroatien. Zu ihnen zählte auch ein Kleinkind.

Die Identifizierung der Opfer war problematisch, weil viele Touristen an Bord des verunglückten Shuttle-Busses keine Dokumente bei sich hatten. Der Bus war aus noch ungeklärter Ursache von einer Brücke auf Bahngleise gestürzt und hatte Feuer gefangen. Auch deswegen gestaltet sich die Feststellung der Identität kompliziert. Die Verstorbenen wurden in der Leichenhalle von Mestre aufgebahrt, wohin die Familienangehörigen anreisten.

Im Bus starb auch eine junge Kroatin, die mit ihrem Ehemann auf Hochzeitsreise war. Das Paar aus Split hatte am 10. September geheiratet. Die Tote war im sechsten Monat schwanger. Ihr Mann liegt schwer verletzt im Krankenhaus der Stadt Mirano, berichteten italienische Medien.

18 Personen wurden verletzt, 5 von ihnen schweben in Lebensgefahr, darunter ein Kleinkind. In der Region Venedig wurden wegen des Unglücks drei Trauertage ausgerufen. Der Senat in Rom hielt am Mittwoch eine Schweigeminute zu Ehren der Toten.

Hatte der Fahrer einen Schwächeanfall?

Unter den Toten ist auch der Fahrer des Busses, ein 40 Jahre alter Italiener. Weil unklar ist, warum der Bus kurz nach Einbruch der Dunkelheit gegen 19.45 Uhr so plötzlich von der Brücke stürzte, gilt ihm nun das besondere Interesse. Nach Angaben von Kollegen war er ein zuverlässiger Mann mit vielen Jahren Berufserfahrung. Außerdem hatte der Mann demnach erst 90 Minuten vor dem Unglück seinen Dienst angetreten. Der Bus gehört einem Unternehmen namens La Linea Spa und wurde er von einem Campingplatz in Marghera gechartert.

Spekuliert wird, dass der Fahrer wegen eines Schwächeanfalls die Kontrolle über den Bus verloren haben könnte – oder auch, dass er eingeschlafen sein könnte. Die Staatsanwaltschaft leitete noch in der Nacht Ermittlungen ein. Auch andere Möglichkeiten werden nicht ausgeschlossen.

Video von Überwachungskamera soll Aufschluss bringen

Aufschluss erhofften sich die Ermittler zunächst von einer Überwachungskamera, die an dieser Stelle auf der etwa 70 Jahre alten Straße den Verkehr auf der Rizzardi-Brücke im Blick hat. Auf dem Video ist die entscheidende Szene des Absturzes jedoch durch einen anderen Bus verdeckt – man sieht nur aus der Ferne, wie der Bus über die Leitplanke stürzt.



Möglicherweise hat auch eine Kamera in dem modernen Elektrobus die Szene aufgezeichnet. Nach der Kamera wurde in dem ausgebrannten Wrack am Mittwoch noch gesucht.

Der Geschäftsführer des Busunternehmens, Massimo Fiorese, wurde vom italienischen Sender Rai mit den Worten zitiert: „Was wir wissen, ist, dass es eine feste Kamera auf der Brücke gibt. Aus dem, was ich auf den Bildern gesehen habe, sieht man den Bus mit weniger als 50 Stundenkilometern kommen. Man sieht die Bremslichter aufleuchten. Also hat er gebremst. Dann sieht man, wie das Fahrzeug sich an die Leitplanke lehnt, umkippt und herunterfällt.“

Debatte über marode Infrastruktur

Das Unglück hat in Italien eine Debatte über marode Infrastruktur ausgelöst. So rückt vor allem die Frage der Leitplankensicherheit auf Straßen und Autobahnen wieder ins Rampenlicht. Genau wie am 28. Juli 2013, als ein Bus von einem Viadukt auf der A16 bei Monteforte Irpino in der süditalienischen Region Kampanien in den Abgrund stürzte. Bei dem Unglück kamen damals 40 Menschen ums Leben.

„Viele unserer Straßen sind immer noch unzureichend geschützt. Auf vielen Verkehrsadern sind die Schutzvorrichtungen veraltet“, warnte Alfonso Montella, Professor für Straßen, Eisenbahnen und Flughäfen an der Fakultät für Bauingenieurwesen der Universität Federico II. in Neapel.



dpa/stol

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