Tajani betonte, dass die Menschen, die migrieren, „nicht nach Italien kommen wollen, sie wollen in andere Teile Europas ziehen“. „Es gibt viele Zeichen des guten Willens, aber dann gibt es seitens der EU-Partner keine Taten, während wir nicht länger warten können“, sagte der Außenminister und Vorsitzender der Regierungspartei Forza Italia.
„Die Situation in Afrika ist explosiv. Ganz Afrika südlich der Sahara erlebt Momente großer Spannungen, außerdem gibt es eine große Krise in Afghanistan, in Syrien herrscht immer noch Krieg, die Menschen fliehen vor den Kriegen und ziehen nach Norden“, so Tajani. Der Außenminister erinnerte daran, dass Europa ein Memorandum mit Tunesien unterzeichnet habe. „Dieses Memorandum wird aber immer noch nicht anwendet, weil es Widerstand gibt“, klagte Tajani.
Frankreich will über Grenzschutzberaten
Die Migrationskrise auf Lampedusa beschäftigt auch Italiens Nachbarländer. Der französische Innenminister Gerald Darmanin plant am Freitag ein Treffen mit seinen engsten Mitarbeitern, um über Grenzschutz zu beraten. Die Regierung in Paris hatte diese Woche eine Aufstockung bei der Zahl der Sicherheitskräfte an der Grenze zu Italien angekündigt.Marion Maréchal, Vize-Parteichefin der rechtsextremen Partei Reconquête von Eric Zemmour, besuchte am Freitag Lampedusa. „Ich bin hier, um Italien zu unterstützen. Lampedusa ist die Grenze von ganz Europa. Die Europäer müssen geschlossen auf diese Situation reagieren“, erklärte Maréchal laut Medienangaben.
Tausende Ankünfte auf Lampedusa
Die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa sieht sich derzeit mit der Ankunft tausender Migranten konfrontiert, deren Versorgung sie kaum bewältigen kann. Das italienische Rote Kreuz meldete am Mittwochabend mehr als 7000 Neuankömmlinge - so viele, wie die 145 Kilometer nördlich von Tunesien gelegene Insel Einwohner zählt.Das gute Wetter der vergangenen Tage führte dazu, dass sich mehr Menschen als gewöhnlich von Nordafrika aus in Booten über das Mittelmeer auf den Weg machten. Nach Angaben des Innenministeriums in Rom kamen allein am Dienstag mehr als 5000 Migranten in Italien an. Die meisten von ihnen wurden von der Küstenwache aufgegriffen und nach Lampedusa gebracht. Das dortige Aufnahmezentrum ist für weniger als 400 Menschen ausgelegt. Männer, Frauen und Kinder mussten rund um das Lager die Nächte unter freiem Himmel verbringen. Am Mittwoch wurde deswegen der Notstand ausgerufen.
In der Nacht auf Freitag wurden 204 Migranten von der italienischen Küstenwache vor der Insel in Sicherheit gebracht. Seit Anfang dieser Woche erreichten über 9.000 Menschen die Insel. Derzeit befinden sich 3800 Migranten im Hotspot der Insel ist. Im Laufe des Freitags sollten weitere 2.500 Personen die Insel verlassen.
14 Millionen Euro EU-Nothilfe
Die Europäische Kommission erklärte am Donnerstag, in engem Kontakt mit den italienischen Behörden zu stehen. Derzeit seien rund 450 Mitarbeiter der EU-Asylagentur und von Frontex vor Ort im Einsatz. Auch finanziell werde Italien mit 14 Millionen Euro Nothilfe unterstützt. Am Freitag soll ein Sondertreffen im Rahmen der EU-Solidaritätsplattform stattfinden. Auf diesem können sich die Mitgliedstaaten über ihre Aufnahmekapazitäten austauschen.Die österreichische Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) betonte, dass die „dramatischen Bilder aus Lampedusa“ einmal mehr zeigten, „dass das derzeitige europäische Migrationssystem gescheitert ist. Viel zu lange hat die Europäische Union zugesehen.“ Sie forderte grundlegende Reformen. „Europa muss wieder Herr über seine Grenzen werden, Fluchtursachen an der Wurzel bekämpfen und schnelle Asylverfahren an den EU-Außengrenzen etablieren“, erklärte Edstadler am Freitag in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Aus dem österreichischen Innenministerium hieß es am Donnerstag, man stehe mit den italienischen Behörden in Kontakt. Zugleich würde die Überwachung auf dem Brenner intensiviert.