Freitag, 28. Juli 2023

Niger: Militärrat übernimmt Macht – Verfassung ausgesetzt, Regierung aufgelöst

Nach dem Putsch in Niger ist der Chef der Präsidentengarde zum Staatsoberhaupt erklärt worden. General Abdourahamane Tchiani sei Präsident des neu gebildeten Nationalen Rates zur Sicherung des Heimatlandes, erklärte ein Offizier am Freitag im Fernsehen des westafrikanischen Landes. Die Verfassung sei ausgesetzt und die Regierung aufgelöst worden, sagte Oberst Amadou Abdramane. Der neue Militärrat werde nun alle gesetzgebenden und exekutiven Befugnisse ausüben.

Unterstützer der Putschisten wollen demonstrieren. - Foto: © APA/AFP / -

Die Garde hatte am Mittwoch Präsident Mohamed Bazoum festgesetzt und entmachtet.
Die Armee schloss sich ihr an.

Vor der Ausrufung der Militärherrschaft hatte Tchiani im Fernsehen den Putsch verteidigt. Er bekräftigte frühere Angaben, die Soldaten hätten wegen einer immer schlechteren Sicherheitslage die Macht übernommen. Er kritisierte zudem eine fehlende „echte Zusammenarbeit“ mit den Militärregierungen in den Nachbarstaaten Burkina Faso und Mali im Kampf gegen Aufständische. „An diese düstere Wirklichkeit erinnert uns täglich die harte Realität der fehlenden Sicherheit in Niger, die unsere Streitkräfte und unser hart arbeitendes Volk erleben“, sagte der 62-Jährige.

Mehrere westliche Staaten verurteilen Staatsstreich

Der Westen könnte mit dem Putsch einen weiteren Verbündeten im Kampf gegen Islamisten in der Sahel-Zone und gegen illegale Einwanderung nach Europa verloren haben. In Mali und Burkina Faso brach das Militär jeweils nach gewaltsamen Machtübernahmen die Beziehungen zum Westen ab und näherten sich Russland an. Am Freitag bot offenbar der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, die Dienste seiner Kämpfer an. Der Putsch sei eine lang überfällige Befreiung von den westlichen Kolonialmächten, erklärte eine Stimme auf Telegram, die wie Prigoschins klang. UN-Vertreter in Niger sagten, dort gebe es keine Hinweise auf Wagner-Kämpfer.

Die Vereinten Nationen und mehrere westliche Staaten haben den Staatsstreich verurteilt. Die Wahl Bazoums im Jahr 2021 war der erste demokratische Machtwechsel in dem bitterarmen westafrikanischen Land mit gut 25 Millionen Einwohnern. Dort hat das Militär seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 viermal geputscht.

Siebtgrößter Uran-Produzent der Welt

Niger ist der siebtgrößte Uran-Produzent der Welt mit etwa 5 Prozent der globalen Förderung. Die Vorkommen dieser Minen haben den höchsten Reinheitsgrad in Afrika. Zu den Betreibern gehört das staatliche französische Unternehmen Orano. Dieses erklärte am Freitag, die Förderung gehe trotz der jüngsten Entwicklungen weiter. Niger sei für weniger als 10 Prozent des in Frankreich verbrauchten Urans verantwortlich.

Bazoum wurde am Freitag mit seiner Familie weiter in seinem Amtssitz festgehalten. Trotz eines von der Armee verhängten Demonstrationsverbots rief eine Koalition von Bazoum-Gegnern am Freitag dazu auf, Unterstützung für die „Beweggründe“ der Putschisten zu zeigen, allerdings unter „Missbilligung aller Veränderung durch Gewalt“.

Macron fordert Freilassung Bazoums

„Dieser Staatsstreich ist vollkommen unrechtmäßig und zutiefst gefährlich für die Nigrer, den Niger und die ganze Region“, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron während eines Besuchs in Papua-Neuguinea. Er rief zu einer Wiederherstellung der rechtsstaatlichen Ordnung auf und forderte die Freilassung Bazoums.

Zuvor hatte die französische Außenministerin Catherine Colonna noch von einem „Putschversuch“ im Niger gesprochen und diesen als nicht „endgültig“ bezeichnet. Die ehemalige Kolonialmacht hat noch 1500 Soldaten in dem westafrikanischen Land stationiert.

Colonna sagte, die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) werde „möglicherweise am Sonntag“ zusammenkommen, um über mögliche Sanktionen zu beraten. ECOWAS hatte eine „sofortige Freilassung“ Bazoums gefordert und betont, er bleibe der „legitime und rechtmäßige Präsident des Nigers“.

EU droht finanzielle Unterstützung auszusetzen

Die Europäische Union drohte damit, die finanzielle Unterstützung für das Sahel-Land auszusetzen. „Jeder Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung wird Konsequenzen für die Zusammenarbeit zwischen der EU und Niger haben, einschließlich der sofortigen Aussetzung jeglicher Budgethilfe“, warnte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

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apa

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