Mittwoch, 13. September 2023

Lampedusa: 5100 Migranten an einem Tag – Baby ertrinkt bei Rettungsversuch

Tausende Neuankömmlinge auf Lampedusa. Das Erstaufnahmelager für Migranten ist überfüllt. Bei der Ankunft spielen sich chaotische Szenen ab – ein erst 5 Monate alter Säugling ertrinkt. Deutschland stoppt indes die freiwillige Aufnahme von Migranten aus Italien.

6792 Migranten befinden sich zurzeit auf Lampedusa. - Foto: © ANSA / Elio Desiderio

Auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa kommen wieder jeden Tag mehrere Tausend Bootsmigranten an. Innerhalb von 24 Stunden registrierten die Behörden am Dienstag mehr als 5000 Menschen, wie am Mittwoch aus Zahlen des Innenministeriums hervorging. Die Nachrichtenagentur Ansa berichtete von mehr als 5100 – so viele wie noch nie an einem einzigen Tag.

Eine junge Frau sprang am Dienstag in das Wasser und rettete 4 Migranten das Leben. - Foto: © ANSA / ANSA

Knapp 6800 Migranten auf der Insel

Das Erstaufnahmelager mit Platz für rund 400 Menschen ist erneut überfüllt. 6792 Migranten befinden sich derzeit auf der Insel – die meisten im Lager. Bürgermeister Filippo Mannino forderte, Boote mit Migranten abzufangen und nach Sizilien oder aufs Festland zu bringen.

Allein am Mittwoch kamen 5100 neue Migranten auf der Insel an. Das Erstaufnahmelager hat Platz für etwa 400 Menschen. - Foto: © ANSA / Elio Desiderio

Säugling fällt ins Wasser und ertrinkt

In der Nacht auf Mittwoch kam es zu einem tragischen Unglück: Beim Versuch, ein erst 5 Monate altes Kind an Land zu bringen, fiel der Säugling ins Wasser und ertrank. Die Familie des ertrunkenen Kindes hatte sich aus dem westafrikanischen Land Guinea auf den Weg nach Europa gemacht. Die Mutter ist minderjährig.

Bis Ende des Jahres mehr Migranten als 2016?

Die Insel zwischen Sizilien und Nordafrika gehört seit Jahren zu den Brennpunkten der Migration nach Europa. Die Situation am Dienstag war unübersichtlich, weshalb zunächst von 2500 Ankömmlingen die Rede war. Nach einer Zeit, in der weniger Migranten auf der Insel landeten, muss Lampedusa wieder mit Tausenden Neuankömmlingen zurechtkommen. Nach Zahlen des Innenministeriums in Rom wurden seit Beginn des Jahres bereits mehr als 123.800 Menschen registriert, die auf Booten Italien erreichten – im Vorjahr waren es von Januar bis Mitte September 65.500. Sollte der Trend anhalten, könnte bis Ende des Jahres gar die Rekordzahl von 2016 übertroffen werden. Damals kamen 181.000 Menschen.

Auf der Insel spielen sich chaotische Szenen ab. - Foto: © ANSA / ELIO DESIDERIO

Deutschland nimmt keine Migranten mehr aus Italien auf

Der Umgang mit den Migranten sorgt auch für neue Diskussionen zwischen der deutschen Bundesregierung und der Rechtsregierung in Italien. Berlin setzte ein Programm zur freiwilligen Aufnahme von Migranten aus Italien aus, wie das Bundesinnenministerium bestätigte. Zuerst hatte die „Welt“ berichtet ( STOL hat berichtet). Ursprünglich hatte Deutschland zugesagt, 3500 Asylbewerber aus besonders belasteten Staaten an Europas Außengrenzen im Süden zu übernehmen. Bislang wurden über den sogenannten freiwilligen europäischen Solidaritätsmechanismus 1700 Schutzsuchende überstellt, damit sie in Deutschland ihr Asylverfahren durchlaufen.

Weitere Aufnahmen seien nun nicht mehr geplant, auch weil es bei der Rückübernahme von Migranten nach den sogenannten Dublin-Regeln hakt, so das Ministerium. Diese Regeln sehen vor, dass Asylbewerber ihren Antrag – bis auf wenige Ausnahmefälle – im ersten EU-Land stellen müssen, in dem sie registriert wurden. Wer es dennoch in einem anderen Staat versucht, kann dorthin zurückgeschickt werden.

Neue Ankünfte auch in der Nacht auf Mittwoch. - Foto: © ANSA / CONCETTA RIZZO



„Angesichts des bestehenden hohen Migrationsdrucks nach Deutschland verstärkt die anhaltende Aussetzung von Dublin-Überstellungen durch einige Mitgliedstaaten, auch durch Italien, die großen Herausforderungen, vor denen Deutschland zurzeit hinsichtlich seiner Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten steht“, erklärte ein Ministeriumssprecher. Bis Ende August sind demnach erst 10 Dublin-Überstellungen nach Italien erfolgt. Rom sei informiert worden, dass der Auswahlprozess für Migranten verschoben werde.

Tajani: „Einwanderung ist ein europäisches Problem“

Außenminister Antonio Tajani. - Foto: © ANSA / Z70



Einwanderung ist ein europäisches Problem“, schrieb Italiens Außenminister Antonio Tajani auf der Online-Plattform X (vormals Twitter). Es müsse unter Beteiligung aller EU-Länder gelöst werden. Auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola betonte, die Lösungen lägen nicht auf nationaler, sondern nur auf europäischer Ebene.
Lampedusa liegt 190 Kilometer von der tunesischen Küstenstadt Sfax entfernt, wo viele Flüchtlingsboote nach Europa starten. Immer wieder kommt es bei den hochgefährlichen Überfahrten zu Unglücken mit Toten. Bürgermeister Filippo Mannino bezeichnete die Situation als nicht mehr tragbar. „Vor diesem Hintergrund ist es unmöglich, eine angemessene Hilfe für die Migranten zu gewährleisten, trotz immenser logistischer Anstrengungen.“

ansa/dpa/stol

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