Sonntag, 18. Juni 2023

Wolfsverordnung im Bundesland Tirol: EU-Rechtler sehen Rechtsbruch

Der Abschuss von Wölfen im Bundesland Tirol gilt - selbst in der Politik - als „juristischer Grenzgang“. Seit kurzem werden „Entnahmen“ der Raubtiere im Bundesland Tirol via Verordnung statt Bescheid geregelt. Die beiden an der Uni Innsbruck lehrenden Europarechtler Walter Obwexer und Peter Hilpold bewerteten die Vorgehensweise Tirols gegenüber der APA als eindeutig EU-rechtswidrig. Für Hilpold werden die Probleme „wohl in Kauf genommen“, Obwexer schlug eine Rückkehr zur Bescheid-Variante vor.

Der Umgang mit Wölfen in Tirol ist juristisch heikel. - Foto: © APA/THEMENBILD / HANS KLAUS TECHT

Dreh- und Angelpunkt ist laut den EU-Rechtsexperten die sogenannte Aarhus-Konvention, die Nichtregierungsorganisationen und Privatpersonen ein entsprechendes Beschwerderecht einräumt. Es ist laut Obwexer, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, klar, dass sie das Recht haben müssen, nationale Maßnahmen vor ordentlichen Gerichten auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht prüfen zu lassen. Und genau hier hake es mit der derzeitigen Regelung: Aktuell gäbe es nämlich keine Möglichkeit, die Verordnungen vor Gericht zu bekämpfen.

EU-Kommission hat Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet

Hilpold bewertete dies als „eklatanten Verstoß gegen diese Konvention“. Die EU-Kommission habe zudem bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie die Umsetzung der Konvention hierzulande bemängelt. Geht dieses Verfahren zuungunsten Österreichs aus, seien die Verordnungen zwar nicht automatisch gekippt, die Landesregierung müsste ihre Regelung aber anpassen und wieder mit Bescheiden arbeiten, erklärte wiederum Obwexer.

Gelöst werden könne das Problem rechtlich durch eine solche Rückkehr zu Bescheiden, schlug der Europarechtsexperte vor. Gleichzeitig sollten den Landesverwaltungsgerichten jedoch andere bzw. klarere Vorgaben gemacht werden, unter welchen Umständen sie Beschwerden stattzugeben bzw. diese abzuweisen haben. So müsse nicht nur das durch Abschuss bedrohte Leben des Wolfes berücksichtigt werden, sondern auch eine mögliche Gefahr für Menschen oder für durch den Wolf bedrohte Tiere wie Schafe. Dann müssten die Bescheide auch bei Beschwerden vor dem Verwaltungsgericht halten, sagte Obwexer.

„Überhastete Maßnahmen“

Dass der derzeit beschrittene Verordnungsweg im Bundesland Tirol „mittelfristig zielführend“ sei, bezweifelte Hilpold. „Die Politik hat ihre Handlungsbereitschaft unter Beweis gestellt“, es handle sich aber um „überhastete Maßnahmen“, die Hilpold als „Stop-and-Go-Policy“ bezeichnete. Der Schutzstatus des Wolfes ist in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) geregelt, bei der Verabschiedung im Jahr 1992 habe es aus seiner Sicht „Versäumnisse“ gegeben, auch weil es das Wolfsproblem „nur in ganz bescheidener Form“ gegeben habe. Allerdings hätte Österreich erst ab 1995 in dieser Sache tätig werden können.

Innerhalb der EU müsse erst einmal ein „Problembewusstsein“ geschaffen werden, immerhin gebe es hier „große Unterschiede im Unionsgebiet“, führte Hilpold weiter aus. Oftmals sei es sogar so, dass innerhalb eines Nationalstaates Umweltminister und Landwirtschaftsminister - wie auch in Österreich - unterschiedlicher Meinung seien. Die EU-Kommission prüft die Problematik derzeit umfassend.

Dass in den aktuellen Verordnungen nur „ein Wolf“ zum Abschuss freigegeben werde und nicht das Individuum, das nachgewiesenermaßen für Tierrisse verantwortlich ist, sei europarechtlich bisher noch nicht behandelt worden. Dazu gebe es noch keinen Entscheid des EuGH, sagte Obwexer. Der Europarechtler kann sich jedoch vorstellen, dass die entsprechende Regelung halten könnte - denn ein Jäger könne ja nicht sagen, welches Tier er gerade vor der Flinte habe.

Mittlerweile 6 Wölfe zum Abschuss freigegeben

Im Bundesland Tirol sorgt das Thema Wolf für stetige Aufregung. Immer wieder stattfindende Rissereignisse auf Tirols Almen erhitzen die Gemüter und machten Forderungen nach Abschüssen laut. Im Frühjahr reagierte die schwarz-rote Tiroler Landesregierung mit einer Gesetzesnovelle, die Abschüsse auf dem Verordnungsweg regelt. Mittlerweile wurden 6 Wölfe zum Abschuss freigegeben, es wurde aber noch keiner erlegt.

apa

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