Dienstag, 11. Juli 2023

NATO gibt Ukraine grundsätzlich Beitritts-Perspektive, Einladung bleibt aus

Die NATO macht der von Russland angegriffenen Ukraine Hoffnung auf eine Aufnahme in das Verteidigungsbündnis, knüpft eine formelle Einladung aber an Bedingungen. In einer am Dienstag beim Gipfel im Vilnius beschlossenen Erklärung der 31 Mitgliedstaaten heißt es zwar: „Die Zukunft der Ukraine ist in der NATO.“ Eine Einladung sei aber erst möglich, „wenn die Verbündeten sich einig und Voraussetzungen erfüllt sind“.

Unterstützung der Ukraine Thema. - Foto: © APA/AFP / PETRAS MALUKAS

Als konkrete Beispiele werden Reformen „im Bereich der Demokratie und des Sicherheitssektors“ genannt. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wertete diesen Beschluss als klares Signal - auch weil er zusätzlich ein Programm zur verstärkten Kooperation mit der Ukraine vorsieht. „Das ist ein starkes Paket für die Ukraine und ein klarer Weg hin zur Mitgliedschaft in der NATO“. Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dürfte das aber eindeutig zu wenig sein.

NATO enttäuscht Beitritts-Hoffnung der Ukraine – Selenskyj verärgert

Monatelang hat die Ukraine für eine Einladung in die NATO
gekämpft. Jetzt enttäuscht das Bündnis diese Hoffnung. Schon vor dem formellen Beschluss zeigte sich Selenskyj verstimmt: „Es sieht so aus, als ob es keine Bereitschaft gibt, die Ukraine in die NATO einzuladen oder sie zum Mitglied der Allianz zu machen“, schrieb er im Netz. „Für Russland ist das eine Motivation seinen Terror weiter fortzusetzen.“ Diese Unbestimmtheit sei ein Zeichen der Schwäche des Westens. „Und ich werde das auf dem Gipfel offen ansprechen.“

Selenskyj hielt noch am Abend vor Tausenden Menschen eine Rede in Vilnius und betonte, die Ukraine werde die NATO stärker machen. An diesem Mittwoch sollte er dann an den Beratungen der Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Vor allem die Länder an der NATO-Ostflanke wie Polen und die baltischen Staaten hatten auf eine Einladung an die Ukraine gedrungen, während Deutschland und die USA noch nicht so weit gehen wollten. Die Ukraine wehrt sich seit Ende Februar vergangenen Jahres mit westlicher Unterstützung gegen eine russische Invasion.

In Zukunft NATO-Ukraine-Rat

Die NATO will nun zunächst die Kooperation und Unterstützung für die Ukraine deutlich ausbauen. So soll es künftig einen NATO-Ukraine-Rat und ein mehrjähriges Programm geben, um eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften der Ukraine und des Bündnisses zu ermöglichen. Zudem soll dem Land das für neue Mitglieder übliche Heranführungsprogramm erspart werden. Es könnte damit nach einer formellen Einladung zum Bündnisbeitritt deutlich schneller aufgenommen werden als zum Beispiel die Westbalkanländer Montenegro oder Nordmazedonien. Ein konkreter Fahrplan für den Beitritt ist aber zunächst nicht geplant.

Scholz verspricht neues Waffenpaket im Wert von 700 Millionen Euro

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) betonte in Vilnius, dass es für ihn nun vor allem um konkrete militärische Hilfe für den Kampf gegen Russland gehe. Zum Auftakt des Gipfels sagte er der Ukraine ein neues Waffenpaket im Wert von 700 Millionen Euro zu. Unter anderem sollen weitere 40 Schützenpanzer vom Typ Marder, 25 Kampfpanzer Leopard 1A5 und 5 Bergepanzer aus Industriebeständen sowie 2 Abschussgeräte für Patriot-Flugabwehrraketen der Bundeswehr geliefert werden. Hinzu kommen 20.000 Schuss Artilleriemunition und 5000 Schuss Nebelmunition sowie Aufklärungsdrohnen und Mittel zur Abwehr von Drohnenangriffen. Außerdem erhält die Ukraine Ausrüstung zur Minenabwehr und ein Sanitätspaket mit Komponenten für ein Feldlazarett. Deutschland ist der zweitwichtigste Waffenlieferant der Ukraine auf Platz 2 hinter den USA.

Waffen neuer Qualität sind in dem Hilfspaket nicht enthalten. Die von der Ukraine geforderten Marschflugkörper Taurus werden weiter nicht geliefert. Die Ukraine wünscht sich diese Waffen, um Stellungen der russischen Streitkräfte in der Ukraine weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Deutschlands Regierung ist dabei zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium erreichen können.

Marschflugkörper aus Großbritannien, bald auch aus Frankreich

Großbritannien liefert als erstes NATO-Land bereits jetzt Marschflugkörper. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte am Rande des Gipfels an, dass auch Frankreich nun solche Waffen liefern will. Die USA halten sich damit noch zurück, genauso wie Deutschland.

Weiteres Topthema am ersten Gipfeltag waren neue Pläne für die Abwehr von möglichen russischen Angriffen auf das Bündnisgebiet. Sie wurden bei dem Spitzentreffen noch einmal offiziell bestätigt. Die insgesamt mehr als 4000 Seiten starken Dokumente beschreiben detailliert, wie kritische Orte im Bündnisgebiet durch Abschreckung geschützt und im Ernstfall verteidigt werden sollten. Dafür wird auch definiert, welche militärischen Fähigkeiten notwendig sind. Neben Land-, Luft-, und Seestreitkräften sind auch Cyber- und Weltraumfähigkeiten eingeschlossen.

Erdogan macht Weg frei für NATO-Beitritt Schwedens

Begonnen hatte das Spitzentreffen in der litauischen Hauptstadt mit einem großen Erfolg für NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er konnte am Montagabend nach monatelangen zähen Verhandlungen ein Ende der türkischen Blockade der Bündniserweiterung ankündigen. Präsident Recep Tayyip Erdogan stimmte demnach bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zu, das für die Aufnahme Schwedens nötige Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament zur Zustimmung vorzulegen. Schweden könnte demnach bereits im Herbst das 32. Bündnismitglied werden.

Stoltenberg wertete die Erweiterung des Verteidigungsbündnisses als Zeichen für ein Scheitern der Politik Putins. „Er zog in den Krieg, weil er weniger NATO wollte. Er bekommt mehr NATO“, sagte er. Dass Finnland schon Mitglied sei und Schweden nun Mitglied werde, zeige, dass Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ein „großer strategischer Fehler“ gewesen sei. Er habe sowohl die Ukrainer und die Geschlossenheit der NATO als auch die politischen Konsequenzen in Ländern wie Schweden und Finnland unterschätzt.

Bei ihrem Gipfeltreffen beschlossen die NATO-Staaten zudem, künftig „mindestens 2 Prozent“ ihrer Wirtschaftsleistung für Militärausgaben aufzuwenden. Die Verbündeten der Allianz seien eine „dauerhafte Verpflichtung“ zu diesem Ziel eingegangen, sagte Stoltenberg. Derzeit erreichten 11 Bündnisstaaten dieses Ziel. Im kommenden Jahr werde sich die Zahl der Mitgliedstaaten, die das Ziel erreichen, beständig erhöhen.

apa

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