Donnerstag, 2. November 2023

„Sonst ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Gefahr“

Einmal im Jahr treffen sich die Bauernverbände aus Südtirol, dem Bundesland Tirol und Bayern, um aktuelle Themen zu besprechen und gemeinsam Position zu beziehen. Heftige Kritik gab es beim letzten Treffen an mehreren Vorhaben auf EU-Ebene. Die 3 Bauernverbände werden gemeinsam mit anderen dagegenhalten, auch um die Ernährungssicherheit zu garantieren.

Bauernvertreter aus Südtirol, Nord- und Osttirol sowie Bayern beim Drei-Länder-Treffen in Vahrn

Gleich mehrere heiße Eisen, die derzeit auf EU-Ebene diskutiert werden, haben die Bauernbünde auf dem Drei-Länder-Treffen in Vahrn beschäftigt. „Einige Vorschläge aus Brüssel sind sehr gefährlich. Hier müssen wir gemeinsam dagegenhalten, sonst ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Gefahr“, warnte Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler.

Ein klares Nein gab es deshalb für die geplante Reduzierung beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Aufgrund immer neuer Schädlinge und Krankheiten seien die Bäuerinnen und Bauern, die Intensivkulturen bewirtschaften, bereits jetzt am Limit. „Eine Reduzierung des Pflanzenschutzes um bis zu 2 Drittel, wie derzeit von einigen gefordert, gefährdet die Produktion und damit die Ernährungssicherheit“, warnte Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler.

Pflanzenschutz reduzieren? Neue Zuchtmethoden

„Es geht hier nicht mehr nur um geringere Ernten, sondern um überhaupt keine Ernten mehr“, ergänzte Günther Felßner, der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes. Im Bundesland Tirol zeigten sich bereits die ersten Folgen: „Bei einigen Gemüsesorten gab es heuer Ausfälle von 40 Prozent und mehr“, berichtete Elmar Monz, der Obmann-Stellvertreter des Tiroler Bauernbundes.



Eine Möglichkeit, die Pflanzenschutzmittel zu reduzieren und gleichzeitig die Ernte zu schützen, könnten neue Pflanzenzuchtmethoden bieten. Allerdings seien die Akteure, die gegen den Pflanzenschutz sind, auch gegen diese Neuerungen, sagte Landesrat Arnold Schuler. Das Versuchszentrum Laimburg werde trotzdem die Forschung intensivieren.

Bauern gegen „Experimente“ mit Lagen

Ähnlich kritisch wie die Pflanzenschutzmittel-Reduzierungspläne sehen die Vertreter der drei Bauernverbände das Naturwiederherstellungsgesetz, das die Stilllegung von Wiesen, Weiden und sogar Wäldern im Umfang von bis zu 10 Prozent vorsieht. Zudem gebe es in Brüssel Ideen, die eine Intensivierung der Produktion in Gunstlagen und gleichzeitig eine Extensivierung auf den übrigen Flächen zum Ziel haben. „Eine radikale Kurskorrektur ist dringend nötig. Wir brauchen auch in Zukunft eine flächendeckende Landwirtschaft und keine Experimente“, ärgerte sich Günther Felßner.

Eines hätten alle diese Vorschläge gemeinsam: „Für die Landwirtschaft sind es Bürokratiemonster, für die Umwelt-NGOs Beschäftigungsprogramme“, warnte Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner. Die Landwirtschaft müsse sich daher noch besser vernetzen und ihre Argumente klarer kommunizieren. „Wir sollten an ein Studienzentrum im Alpenraum und an europaweite Kampagnen denken, die die Bedeutung und die Notwendigkeiten der Landwirtschaft unterstreichen. Zudem müssen wir wieder klarmachen, dass die Versorgungssicherheit nicht selbstverständlich ist.“

Sorgen wegen EU-Beitritt der Ukraine

Große Sorgen bereitet den Bauernverbänden ein möglicher EU-Beitritt der Ukraine. „4 Millionen neue Betriebe in der EU würden das landwirtschaftliche Gefüge und die Agrarförderung komplett verändern und das Ende der kleinstrukturierten bäuerlichen Landwirtschaft bedeuten“, so Felßner.

Nicht fehlen durfte auf dem Drei-Länder-Treffen eine Diskussion über den Wolf, der in allen 3 Ländern ein Riesenproblem darstellt. SBB-Direktor Siegfried Rinner stellte das Südtiroler Wolfsgesetz vor. Über die Tiroler Erfahrungen mit dem Herdenschutz berichtete Elmar Monz: „Ein Einzäunen ganzer Almen kann man vergessen. Der Aufwand ist riesig, die Kosten mit 350 Euro für jedes Schaf ebenso. Zudem ist diese Form des Herdenschutzes ein Problem für das Tierwohl und die Tiergesundheit und daher nicht vertretbar.“

Foto: © ANSA / Thierry Pronesti / FCO



Erfolgversprechend sei die gelenkte Weideführung mit Behirtung. Allerdings brauche es dafür ausreichend Hirten und eine Förderung durch die öffentliche Hand. Bewährt habe sich die Entnahme von Wölfen. „Die Zahl der Risse ist aufgrund des Jagddrucks zurückgegangen“, fasste der Tiroler Bauernbund-Direktor Peter Raggl zusammen. Er hoffe, dass auf EU-Ebene der Schutzstatus des Großraubwilds schon bald gesenkt wird.

Bauern für Bejagung des Wolfes

Leo Tiefenthaler sprach sich für eine dauerhafte Bejagung aus. Die Bauernverbände würden sich weiter dafür einsetzen. Für Josef Hechenberger, dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Tirol, wirke sich die Präsenz des Wolfes nicht nur auf die Landwirtschaft aus, sondern auch auf das Freizeitverhalte der Bevölkerung.

Sehr genau beobachten die Bauernverbände die Diskussion über die Haltungsformen in der Viehwirtschaft. Einig war man sich, dass das Tierwohl an Bedeutung gewinnen wird, und daher ein noch stärkerer Fokus auf die Tierhaltung gelegt werden muss. „Eine Kombination von Anbindehaltung und Laufstall muss weiterhin möglich sein, damit auch die kleinen Betriebe eine Zukunft haben“, so Günther Felßner.

Die kritische Haltung von Politik und Handel gegenüber der Kombihaltung gehe an der Realität vorbei. Kritisch wird auch die differenzierte Milchauszahlung aufgrund der Haltungsform gesehen, da es nicht um eine zusätzliche Wertschöpfung, sondern um eine Umverteilung geht – häufig von kleinen zu großen Betrieben. In der immer stärkeren Konzentration des Handels sehen ohnehin viele ein Problem.

Eine interessante Initiative hat zum Abschluss des Treffens Matthias Brost vom Bayerischen Bauernverband vorgestellt: den Zukunftsvertrag zur Landwirtschaft in Bayern. „Mit 60 Maßnahmen und einem Budget von 120 Millionen Euro sollen Rahmenbedingungen für die bäuerlichen Betriebe in Bayern verbessert werden. Ziel ist eine produktive, ökonomisch erfolgreiche und umfassend nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft.“

stol

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