Samstag, 23. März 2024

Über 100 Tote bei Anschlag in Moskau – 11 Festnahmen

Bei dem Terroranschlag auf eine Veranstaltungshalle am Stadtrand von Moskau sind am Freitagabend mindestens 115 Menschen getötet worden. Zu dem Anschlag bekannte sich die Terrormiliz „Islamischer Staat“. Nichtsdestotrotz ortete man in Moskau sofort eine Verwicklung der Ukraine, was von Kiew vehement dementiert wurde. Nach russischen Angaben wurden bisher 11 Verdächtige festgenommen.

Rettungskräfte arbeiten sich nach dem Anschlag durch Trümmer in der Crocus City Hall. - Foto: © APA/afp / HANDOUT

Mehrere Unbekannte hatten laut der russischen Generalstaatsanwaltschaft die „Crocus City Hall“ kurz vor einem Konzert der Rockgruppe Piknik gestürmt und das Feuer eröffnet (STOL hat berichtet). Auf Videos ist zu sehen, wie Menschen um ihr Leben rannten. Mehrere Täter hatten offenbar wahllos auf Besucher geschossen. Menschen, die um ihr Leben rannten, und Verletzte berichteten in sozialen Netzwerken von vielen Opfern.

Zu sehen waren auch einzelne auf dem Boden liegende Tote oder Verletzte. Nach Augenzeugenberichten in sozialen Medien brauchten viele Besucher lange, um aus dem Gebäude herauszukommen. Die Ermittler fanden später Waffen und viel Munition. Zudem gab es Explosionen in dem Gebäude und einen Großbrand.

Die Lage an der Crocus City Hall war am Samstagmorgen ruhig. Einsatzkräfte löschten Glutnester nach dem Großbrand, wie die Feuerwehr mitteilte. Nach dem kompletten Löschen sollten die Trümmer des eingestürzten Daches der Konzerthalle beseitigt werden. Polizei, Nationalgarde und Ermittlungskomitee nahmen die Schäden auf und sicherten Spuren.

Mindestens 115 Tote und über 145 Verletzte

Das Zivilschutzministerium teilte mit, dass das Gebäude, in dem auch eine Konzerthalle mit Tausenden Sitzplätzen ist, auf einer Fläche von 13.000 Quadratmetern in Flammen stand. Auch Löschhubschrauber waren im Einsatz. Das Dach soll eingestürzt sein.

Beim Wegräumen der Trümmer in der Konzerthalle des Zentrums hätten Einsatzkräfte weitere Leichen gefunden, teilte das Moskauer Ermittlungskomitee am Samstagvormittag bei Telegram mit. Die Zahl der Toten ist demnach indes nach Angaben von Russlands staatlichem Ermittlungskomitee auf mindestens 115 gestiegen, darunter 3 Kinder.

Das russische Gesundheitsministerium sprach von 145 Verletzten, zu denen ebenfalls Kinder zählten. Nach Angaben des russischen Gesundheitsministeriums sind darunter 44 Schwerverletzte. 115 von ihnen seien in Krankenhäuser gebracht worden. Die Behörde rief die Menschen auf, Blut für die Verletzten zu spenden. Es wurden mehrere Stellen dafür eingerichtet.

11 Festnahmen

Zu den ersten Festnahmen teilte der russische Parlamentsabgeordnete Alexander Chinstein mit, dass am Freitagabend ein mutmaßliches Fluchtfahrzeug mit Waffen im Inneren im Gebiet Brjansk gestoppt worden sei. Weitere Verdächtige würden in einem Wald gesucht. Das Fahrzeug habe bei einer Verfolgungsjagd der Polizei nicht angehalten, sei beschossen worden und habe sich dann überschlagen. „Ein Terrorist wurde auf der Stelle festgenommen, die anderen haben sich im Wald versteckt“, sagte Chinstein. Am frühen Morgen sei ein zweiter Verdächtiger festgenommen worden.

Im Inneren des Fahrzeugs seien eine Pistole, ein Patronenmagazin und eine Kalaschnikow sowie Pässe von Bürgern des zentralasiatischen Republik Tadschikistan gefunden worden. Wenig später gab der Inlandsgeheimdienst bekannt, dass insgesamt 11 Verdächtige festgenommen worden seien.


Die Trauer nach dem Anschlag ist groß. - Foto: © APA/afp / STRINGER

IS reklamiert Anschlag für sich

Der IS reklamierte den Anschlag für sich, wie das IS-Sprachrohr Amak am Freitag im Internet unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen meldete. Experten gehen davon aus, dass das Bekennerschreiben echt ist.

Die Terrormiliz schrieb demnach am Freitag im Onlinedienst Telegram, IS-Kämpfer hätten „eine große Zusammenkunft ... am Rande der russischen Hauptstadt Moskau“ angegriffen. In der Erklärung des IS hieß es weiter, die Angreifer hätten sich „sicher in ihre Stützpunkte zurückgezogen“.

Unter den jetzt Festgenommenen seien 4 Personen, die im Verdacht stünden, direkt in den Angriff verwickelt gewesen zu sein, meldete die Nachrichtenagentur Interfax am Samstag unter Berufung auf den Kreml. Man sei dabei, weitere Komplizen zu identifizieren.


Die Täter hatten die die „Crocus City Hall“ gestürmt. - Foto: © APA/AFP / SERGEI VEDYASHKIN

Reaktionen der russischen Politik

Nicht unerwartet die sofortige Ortung einer Ukraine-Connection in Moskau: 4 mutmaßliche Täter hatten nach russischen Angaben Kontakte auf der ukrainischen Seite. Sie seien auf dem Weg zur ukrainischen Grenze gewesen, als sie am frühen Samstagmorgen gefasst worden seien, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax den Inlandsgeheimdienst FSB. Der Angriff sei sorgfältig geplant gewesen. Die Nachrichtenagentur RIA zitierte kurz darauf den russischen Abgeordneten und Ex-General Andrej Kartapolow, der eine „deutliche Reaktion auf dem Schlachtfeld“ forderte, sollte sich herausstellen, dass die Ukraine hinter dem Angriff steckt.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich nach Kremlangaben „seit der ersten Minute“ über die Geschehnisse informieren lassen. Er erhalte über die entsprechenden Dienste ständig alle wichtigen Informationen über das Geschehen und die eingeleiteten Maßnahmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow Interfax zufolge.

Die Chefin des Föderationsrats, dem Oberhaus des russischen Parlaments, Valentina Matwijenko, drohte den Drahtziehern des Anschlags mit Vergeltung. „Diejenigen, die hinter diesem fürchterlichen Verbrechen stehen, werden die verdiente und unausweichliche Strafe dafür erhalten“, schrieb sie auf ihrem Telegram-Kanal. Der Staat werde zugleich alles tun, um den Hinterbliebenen zu helfen, kündigte sie an.

Ukraine hat damit nichts zu tun“

Das ukrainische Außenministerium wies den Verdacht einer ukrainischen Verwicklung sofort zurück. Auch der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podolja hatte schon kurz nach dem Angriff am Freitag erklärt, dass Kiew nichts damit zu tun habe. Auch die USA mahnten in einer ersten Reaktion, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer mit den Schüssen zu tun hatten“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington.

„Die Bilder sind einfach schrecklich“, betonte Kirby außerdem und sagte, man sei in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen. Das US-Außenministerium rate amerikanischen Staatsbürgern vor Ort dazu, große Menschenansammlungen zu meiden. Die Ukraine habe nichts mit der Schießerei in Moskau zu tun, teilte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak mit.

Foto: © APA/afp / SERGEI VEDYASHKIN



Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin sagte am Abend sämtliche Sport-, Kultur- und sonstigen Veranstaltungen für das Wochenende ab. Er bitte um Verständnis für die Maßnahme, schrieb er in seinem Telegram-Channel.

Die Europäische Union verurteilte den Angriff. Die EU sei schockiert und entsetzt, schrieb EU-Kommissionssprecher Peter Stano auf der Plattform X (früher Twitter). Die EU verurteile jegliche Angriffe auf Zivilisten. „Unsere Gedanken sind bei allen betroffenen russischen Bürgern.“ UNO-Generalsekretär António Guterres und der UNO-Sicherheitsrat verurteilten den Anschlag ebenfalls.

Auch die Witwe des verstorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, sprach den Familien der Opfer ihre Anteilnahme aus. Nawalnaja lebt im Exil. Ihr Mann, einst scharfer Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin, war erst vor wenigen Wochen in einem russischen Straflager gestorben.

Warnung vor möglichem Terroranschlag

Wie die Männer in Tarnuniform und schwer bewaffnet in die Konzerthalle gelangen konnten, war unklar. Die russische Hauptstadt Moskau gilt mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften, mit Überwachungskameras und Metalldetektoren an vielen Stellen als sichere Stadt.

Spekulationen über einen möglichen Terroranschlag in Moskau waren bereits seit dem 7. März kursiert. Damals hatte die US-Botschaft eine diesbezügliche Warnung ausgesprochen, die am 8. März unter anderem auch vom österreichischen Außenministerium übernommen worden war. Putin hatte seinerseits am Dienstag „provokative Erklärungen einer Reihe von offiziellen westlichen Strukturen“ über einen möglichen Terroranschlag in Russland heftig angeprangert.

„All das erinnert an offene Erpressung und die Absicht, Angst zu verbreiten und unsere Gesellschaft zu destabilisieren“, hatte er ausgerechnet vor den Spitzen des für Terrorbekämpfung verantwortlichen Inlandsgeheimdiensts FSB erklärt.

2002 hatten tschetschenische Bewaffnete 850 Menschen in einem Musical-Theater in ihre Gewalt gebracht. Am vierten Tag des Dramas betäubte der Inlandsgeheimdienst die Geiselnehmer und die Geiseln mit einem Gas. Die Terroristen wurden erschossen. 135 Geiseln kamen ums Leben, die meisten von ihnen durch unzureichende medizinische Versorgung.

apa

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