Freitag, 2. Februar 2024

Mit Hängen und Würgen an die Spitze: Absprachen und Reaktionen

Hält diese Mehrheit 5 Jahre? Schon am Start verliert sie überall Teile: Angekündigte und – was das viel größere Problem ist – unangekündigte, weil zu viele unnötige Verlierer die Faust so tief im Sack haben, dass sie zu Heckenschützen werden. Der Versuch, die Truppe zu kontrollieren, in dem sie bei einer geheimen (!) Wahl die Stimmzettel herzeigen, scheiterte am Protest der Opposition. Erst im 3. Wahlgang gelang es, Arnold Schuler und Angelo Gennaccaro an die Landtagsspitze zu hieven. Bei Stimmengleichheit mit Sepp Noggler schaffte es Schuler nur, weil er im Oktober mehr Stimmen erhalten hatte.

Die neue Landtagsspitze (von links): Harald Stauder (Präsidialsekretär), Maria Elisabeth Rieder (Präsidialsekretärin), Arnold Schuler (Präsident), Angelo Gennaccaro (Vizepräsident) und Franz Locher (Präsidialsekretär).

Es war fast 17 Uhr, als Arnold Schuler endlich den von der SVP für ihn auserkorenen Platz als Landtagspräsident einnehmen konnte. (STOL hat im Liveticker berichtet.)
„Ich nehme das nicht persönlich. Die Opposition hat ihr Spiel gemacht und die Mehrheit war nicht kompakt“, sagt Schuler zu einer 4-stündigen Zitterpartie, die am Vormittag mit Schlappen für die Mehrheit begonnen hatte. Erst enthielt sich Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) bei der Kür der Regierung, dann fuhr Schuler bei den ersten beiden Wahlgängen für die Landtagspräsidentschaft eine Niederlage ein.

Seit Tagen hatte sich das Gerücht gehalten, dass die Opposition im ersten Wahlgang geschlossen für Sven Knoll (STF) stimmen würde, um im zweiten ein „starkes Signal“ für Sepp Noggler abzugeben, der von der SVP abserviert worden war. Genauso kam es. 18 Stimmen müssen in den ersten 2 Wahlgängen erreicht werden, um gewählt zu sein. Schuler kam in der ersten Runde nur auf 17, Knoll auf 16, 2 Stimmzettel blieben weiß. In der zweiten Runde schrillten bei der Mehrheit aber endgültig alle Alarmglocken: 16 für Schuler, 11 für Noggler, 5 für Knoll, 3 weiß. Allen war klar, dass die Mehrheit ernsthaft Gefahr lief, mit ihrem Kandidaten Schuler baden zu gehen.

„Sepp, du gehört eh fast zu uns“ hieß es bei der Opposition. Sepp Noggler (2.v.l.) schaffte es zwar nicht, Landtagspräsident zu bleiben. Er bekam aber gleich viele Stimmen wie Arnold Schuler und das war für (v.l.) Franz Ploner, Thomas Widmann, Andreas Colli und Paul Köllensperger ein Grund zum Feiern. Mehrheit und SVP müssen sich wohl warm anziehen.



Denn: Theoretisch sollte die Mehrheit über 19 Stimmen verfügen. Mindestens 3 aber fehlten. Eine davon ist jene von Noggler, der seit Tagen klargestellt hatte, dass er Schuler nicht wählen würde. Über die anderen fehlenden Stimmen kann bei einer geheimen Wahl nur spekuliert werden: Von Franz Locher über Waltraud Deeg bis hin zu Harald Stauder betonen alle, sie seien es nicht gewesen. Nur weil es Mittag war, gelang es Obmann Achammer, eine Vertagung auf Nachmittag zu erreichen.

Stimmzettel herzeigen: „Das ist keine geheime Wahl“

Dort fuhr die Mehrheit dann harte Geschütze auf. In mehreren Unterbrechungen wurde die Truppe eingeschworen. Sogar Probeabstimmungen gab es, bei denen alle brav die Hand für Schuler aufhielten. Dem schien man aber nicht zu trauen. Vereinbart wurde, dass jeder der 19 Mandatare der Mehrheit beim Verlassen der Wahlkabine seinen Stimmzettel Franz Locher (Präsidialsekretär) zeigen musste: Die Totalkontrolle.

Dies ging aber gründlich in die Hose: Achammer, Alfreider, Amhof, Bianchi – dann reichte es der Opposition, die laut protestierte. Beherzt griff Alterspräsident Franz Ploner ein, der die Sitzung leitete: „Das ist keine geheime Wahl.“ Er ließ sich auch nicht von SVP-Chef Achammer ins Boxhorn jagen, für den es „kein Problem“ war, wenn jemand „freiwillig zeigt, wie er abgestimmt hat“. Oh doch, so Ploner, denn dann lande man bei einem politischen System, das keiner wolle. Locher wurde durch Maria Elisabeth Rieder ersetzt, die Wahl wiederholt.

Ergebnis: 17 Stimmen für Schuler, 17 für Noggler, ein Zettel blieb weiß. Präsident wurde somit Schuler. Laut Geschäftsordnung macht bei Stimmengleichheit jener Kandidat das Rennen, der bei der Landtagswahl mehr Stimmen erhalten hat. Schuler hatte sich seine Kür anders vorgestellt. 2018 warf er unter Luis Durnwalder alles hin, weil er nach 2 Wahlgängen nicht Landesrat wurde. Diesmal zog er nicht zurück. Am Ende Noggler wählen zu müssen, wäre die totale Blamage der SVP gewesen.

Auch Angelo Gennaccaro (Civica) wurde erst nach einem Spießrutenlauf von 3 Wahlgängen zum Vizepräsidenten gewählt. Zuletzt entfielen 16 Stimmen auf Gegenkandidat Sandro Repetto, 19 auf Gennaccaro. Es war das einzige Mal an diesem Tag, dass die Mehrheit auf volle 19 kam.

Vergebliche Suche nach den Heckenschützen

Stinksauer ist Obmann Achammer. „Es geht nicht, dass sich eine Mehrheit präsentiert wie heute.“ Verärgert ist er weniger über Noggler, der sein Nein angekündigt hatte, sondern über die geheimen Heckenschützen. „Es kann nicht sein, dass alle am Tisch sitzen und beteuern, was für eine Viecherei das sei, dass man nicht zusammensteht. Und dann gehen einige in die Aula und tun genau das Gegenteil.“ Mehr als an alle appellieren, ehrlich zu sein und Vorbehalte aufzuzeigen, könne man nicht tun.

Wahr ist freilich auch, dass in den letzten 4 Monaten so viele in der Mehrheit teils völlig unnötigerweise gedemütigt wurden. Ob bei der Zuteilung von Kompetenzen in der Regierung oder der Postenvergabe, habe „der Landeshauptmann aussortiert, unliebsame Zeitgenossen degradiert“, heißt es aus der Mehrheit. Einige haben die Faust deswegen tief im Sack.

„Sepp Noggler, sind Sie der Präsident der Herzen?“

Sepp Noggler - Foto: © Landtag



STOL: Herr Noggler, als Kandidat der Opposition haben Sie Arnold Schuler fast besiegt. Was ist los in dieser SVP, dass es so weit kommt?
Sepp Noggler: Ich gehöre nicht zum Freundeskreis des Landeshauptmanns und war damit in meiner Partei chancenlos. Meine Kollegen in der SVP haben mich im Stich gelassen. Es nützt nichts, überall zu beteuern, wie gut der Noggler gearbeitet hat. Wenn jemand gut gearbeitet hat, lässt man ihn nicht fallen.

STOL: Haben Sie jetzt vor, diesen Kurs als vogelfreier Mandatar fortzusetzen?
Noggler: Wenn es erforderlich ist, ja. Ich habe ein freies Mandat und bin keinem zu Dank verpflichtet.

STOL: Der Opposition schon. Sie hat Sie gestützt...
Noggler: Die Opposition hat meine Arbeit geschätzt. Ich habe 3 Mal weiß abgegeben und bin stolz auf meine 17 Stimmen – ohne Zettel herzeigen zu müssen.

STOL: Sepp Noggler, Präsident der Herzen?
Noggler (lacht): Klingt nach Hansi Hinterseer.

bv

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