Dienstag, 2. Januar 2024

UNO sieht Anzeichen für Kriegsverbrechen im Nahost-Krieg

Während Israel seine Angriffe im gesamten Gazastreifen mit unverminderter Härte am Dienstag fortsetzte, sieht der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, Anzeichen für Kriegsverbrechen und womöglich auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit im neuen Nahost-Krieg. Er nannte im Interview mit der dpa auf der Seite der Palästinenser unter anderem die Hamas-Massaker vom 7. Oktober, hat zugleich aber „schwere Bedenken“, was die Reaktion Israels darauf betrifft.

Seit knapp 3 Monaten wüten die Kämpfe im Gazastreifen. - Foto: © APA/afp / -

Auch im wahllosen Abfeuern von Geschossen auf Israel und dem militärische Agieren aus zivilen Einrichtungen heraus, sieht der Österreicher Türk Anzeichen für Kriegsverbrechen auf palästinensischer Seite. Zu Israel sagte Türk der Deutschen Presse-Agentur in Genf: „Wenn man sich anschaut, wie Israel darauf reagiert hat, da habe ich schwere Bedenken, was die Einhaltung sowohl der Menschenrechte als auch des internationalen humanitären Rechts betrifft.“ Bei den schweren israelischen Bombardierungen seien 70 Prozent der Betroffenen Frauen und Minderjährige.

„Man kann davon ausgehen, dass der Großteil von denen, die getroffen worden sind, Zivilisten sind“, sagte der Österreicher. „Darüber hinaus ist eine kollektive Bestrafung der Palästinenser ein Kriegsverbrechen. Natürlich müssen letztlich Gerichte beurteilen, wer welche Straftaten begangen hat.“

„Schwere Bedenken, die näher geprüft werden müssen“

Ob es im Gaza-Krieg Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt, sei schwer zu beurteilen. Damit sind zum Beispiel großangelegte oder systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung gemeint. Um das zu beurteilen, müsse auch untersucht werden, ob dahinter eine entsprechende Absicht stehe. Nach Angaben von Türk gibt es Anzeichen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden sein könnten: „Angesichts der unverhältnismäßigen und sehr schweren Bombardierungen, in Kombination mit dem Mangel an wirksamer humanitärer Hilfe gibt es schwere Bedenken, die näher geprüft werden müssen.“

Das UNO-Menschenrechtsbüro, das Türk leitet, verlangt die Freilassung der aus Israel verschleppten Geiseln, ein Ende der ziellosen Angriffe seitens der islamistischen Hamas, ein Ende der israelischen Bombardierungen sowie ausreichenden Zugang für humanitäre Hilfe. Israel lässt nur eine begrenzte Anzahl von Lastwagen in das Gebiet, und humanitäre Organisationen sagen, eine systematische Verteilung sei wegen der dauernden Bombenangriffe nicht möglich. Israel habe den Kontakt zu seinem Büro 2020 auf Eis gelegt. Das geht zurück auf eine vom UNO-Menschenrechtsrat verlangte und seinerzeit veröffentlichte Liste mit Firmen, die am Bau illegaler israelischer Siedlungen in besetzten palästinensischen Gebieten beteiligt sind.

Raketenangriffe auf Süden des Gazastreifens

Unterdessen berichteten Augenzeugen am Dienstag von neuerlichen, nächtlichen Raketenangriffen Israels auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens und von Granatenbeschuss des Flüchtlingslagers Jabalia im Norden des von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Palästinensergebiets. Kämpfe wurden zudem aus Flüchtlingslagern im Zentrum des Gazastreifens sowie im südlich gelegenen Khan Younis gemeldet.

Israel und die Hamas befinden sich seit fast drei Monaten im Krieg. Auslöser war ein Großangriff der militanten Palästinenser-Organisation Hamas auf Israel, bei dem am 7. Oktober rund 1.200 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem bombardiert Israel Ziele im Gazastreifen und begann eine Bodenoffensive - mit dem Ziel, die Hamas zu vernichten. Laut Angaben des von der radikalislamischen Organisation kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit Kriegsbeginn fast 20.000 Menschen im Gazastreifen getötet. Dem israelischen Militär zufolge wurden seit Beginn der Offensive gegen die Hamas zudem 173 israelische Soldaten getötet.

Israel bereitet sich auf langen Krieg vor

Israels Armeesprecher Daniel Hagari hatte am Sonntagabend angekündigt, dass sich das Militär auf einen langen Krieg gegen die Hamas vorbereite, der weit in das Jahr 2024 dauern werde. Deshalb würden einige der 300.000 Reservisten eine Kampfpause einlegen und noch in dieser Woche zu ihren Familien und zu ihrer Arbeit zurückkehren. Das ermögliche es ihnen, Kraft zu sammeln, und gleichzeitig helfe es der israelischen Wirtschaft.

Katar und Ägypten, die für Ende November eine einwöchige Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ausgehandelt hatten, bemühen sich derzeit um eine weitere Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln. Wie die US-Nachrichtenseite Axios unter Berufung auf israelische Quellen berichtete, unterbreitete die Hamas am Sonntag einen Vorschlag für einen neuen Geiselaustausch. Dieser sehe drei Phasen vor mit jeweils einer mehr als einmonatigen Kampfpause vor, in denen sich die israelischen Truppen aus dem Gazastreifen zurückziehen sollten. Im Gegenzug erklärt sich die Hamas demnach zur Freilassung einiger Geiseln bereit. Mit der letzten Phase würde dann dem Plan zufolge das Ende des Kriegs eingeläutet, berichteten die israelischen Quellen. Ein israelischer Vertreter sagte Axios, das israelische Kriegskabinett habe den Vorschlag diskutiert und als inakzeptabel verworfen. Er äußerte sich aber optimistisch, dass die Gespräche über eine Feuerpause zu einem akzeptableren Plan führen könnten.

apa

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