Samstag, 19. August 2023

Die Grenze schmerzt erst, wenn wir daran stoßen

Wie viel darf der Macchiato kosten? Das ist ein Aufregerthema an den Bartheken. Vielleicht gehören Sie zu denen, die sich denken: „Das sind doch Peanuts“ – und das Tässchen auch für knapp 2 Euro kippen. Vielleicht aber auch nicht. Wo die Schmerzgrenze tatsächlich liegt, sehen wir erst, wenn wir sie erreichen. Das gilt nicht nur für den Kaffee.

Gefühlt schon immer so: Urlaub muss sein Mitte August. Doch wird das auch immer so bleiben? - Foto: © shutterstock

Von:
Katrin Niedermair
Ferragosto ist für die Italiener mehr als ein Feiertag. Es ist ein fest verankertes Ritual. In den Städten ist alles „chiuso per ferie“, die Leute sind am Meer oder in den Bergen. Viele zieht es nach Südtirol.

Und in Südtirol ist es ein fast genauso verankertes Ritual, an Maria Himmelfahrt die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und zu beklagen, dass die Straßen verstopft, die Wanderwege überfüllt und Plätze im Lido belegt sind. „Overtourism“ eben. Heuer war's Mitte August lockerer im Land. HGV-Chef Manfred Pinzger stimmte Südtirol schon vorab darauf ein: Von „ausgebucht“ seien die heimischen Gastbetriebe diesmal weit entfernt.

Wie lange geht das noch so? Und noch viel wichtiger: Was bedeutet es für unsere Gesellschaft, wenn Ferien, Pizza und der tägliche Macchiato an der Theke eines Tages für viele tatsächlich nicht mehr drin sein sollten?
Katrin Niedermair, STOL-Redakteurin


Wenn in Zeiten steigender Preise und stagnierender Löhne die Massen Südtirol nicht mehr überschwemmen, muss das grundsätzlich keine negative Sache sein. Die Hauptreisezeiten entschärfen, die Nebensaisonen stärken, die Akzeptanz für den Tourismus unter den Einheimischen hochhalten – das ist schon seit Jahren das Ziel der Tourismuswerbung im Land: auch mit Mut zum Preis. Weniger ist mehr, Klasse statt Masse.

Wenn die Lieblingsdestination plötzlich nicht mehr erschwinglich ist, ist das zwar ärgerlich; solange es günstigere Alternativen gibt, weichen die Leute dann eben dorthin aus: Die Italiener, die in den Augustferien ja am liebsten irgendwo zwischen Sizilien und dem Brenner urlauben, haben heuer ein neues Domizil entdeckt: Albanien. Auch da gibt es „mare e monti“ – nur billiger.

Den Urlaub lassen sich die Leute auch in Zeiten von Inflation und Teuerung nicht gern nehmen: Er ist unter den Prioritäten der Familien ganz oben. Mancher lässt eher eine Rate der Kondominiumsspesen offen als den Koffer geschlossen im Schrank. Doch wie lange geht das noch so? Und noch viel wichtiger: Was bedeutet es für unsere Gesellschaft, wenn Ferien, Pizza und der tägliche Macchiato an der Theke eines Tages für viele tatsächlich nicht mehr drin sein sollten? Die Grenze schmerzt erst, wenn wir daran stoßen.

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