Donnerstag, 28. September 2023

Akte Evi Rauter vorläufig zu: „Wir geben die Hoffnung nicht auf“

Ermittlungen in einem „Cold case“ sind schwierig: Die Staatsanwaltschaft von Florenz musste die Akte zum ungeklärten Todesfall von Evi Rauter nun nach 17 Monaten schließen – vorläufig. Obwohl Mordverdacht besteht, gibt es derzeit nicht genügend Anhaltspunkte. Familie Rauter in Lana gibt nicht auf.

Evi Rauter war 19, als sie gewaltsam zu Tode kam. Was in den Stunden passiert ist, nachdem sie die Wohnung ihrer Schwester verlassen hatte, wie sie nach Portbou kam und was ihr zugestoßen ist: Diese Fragen harren weiter einer Antwort.

Von:
Katrin Niedermair
Mord verjährt nicht: Sollte dem Tod von Evi Rauter im September 1990 ein Gewaltverbrechen zugrunde liegen, will die Staatsanwaltschaft in Florenz den Täter ausforschen – auch wenn inzwischen 33 Jahre vergangen sind. (STOL hat über den Fall berichtet.) Die Archivierung ist daher auch nur vorläufig: Sollte es neue Beweise oder Hinweise geben, kann der Fall wieder eröffnet, die Untersuchung wieder aufgenommen werden.

Zeugen oder mögliche Mitwisser, die ihr Gewissen erleichtern wollen, sind daher gebeten, sich zu melden.
Eine E-Mail-Adresse ([email protected]) wurde eingerichtet: Wer Informationen hat, die dazu beitragen könnten, den Fall aufzuklären, kann sie auf diesem Weg weitergeben. Evis Schwester Christine Rauter hofft, dass bald ein entscheidender Beweis auftaucht.

Eines der letzten Bilder, die Evi Rauter lebend zeigen: 19 Jahre jung, sie hatte ihr Leben noch vor sich. Die letzten Stunden, bevor sie im Ort Portbou an der spanisch-französischen Grenze erhängt an einer Pinie gefunden wurde, liegen noch im Dunkeln. - Foto: © ANSA / DOLOMITEN


„Wir geben die Hoffnung nicht auf. Es kann immer wieder etwas Neues herauskommen. Wer hätte schon gedacht, dass Evi nach 32 Jahren noch identifiziert werden könnte?“, fragt Christine Rauter. „Doch es ist geschehen.“

Der Fall werde von den Ermittlern jedenfalls sehr ernst genommen. „Ich habe selbst mit dem Staatsanwalt gesprochen. Er hat mir alles erklärt. Man weiß noch nicht, wie Evi nach Portbou gekommen ist – aber sehr vieles an der Geschichte ist fragwürdig.“

Spezialeinheiten der italienischen Polizei haben in den vergangenen 17 Monaten alle Beweismittel noch einmal durchforstet: „Viele Elemente passen nicht zusammen: Die Fingernägel von Evi waren supersauber, keine Spuren von Rinde waren darunter, keine Kratzer oder Abschürfungen an den Armen, am Kinn oder an den Füßen: Das passt nicht mit der Theorie zusammen, dass sie selbst auf den Baum geklettert sein könnte.“

1990 und in den Jahren danach gab es zu viele Pannen bei der Ermittlung: Es wurde eine oberflächliche Autopsie gemacht, keine Blutuntersuchung vorgenommen. Alles darüber lesen Sie hier.

Über 30 Jahre Ungewissheit: „Wir werden das nie abschließen“

Familie Rauter hat noch eine weitere Hoffnung nicht aufgegeben: den Leichnam von Evi wiederzuerlangen, den Arbeiter des Friedhofs von Figueres 2001 ohne Genehmigung des Richters aus seiner Grabnische entfernt haben. Evi Rauter wurde in einer Wiese des dortigen Friedhofs zur letzten Ruhe gebettet – wo genau, das müsste in den Akten vermerkt sein, weiß ihre Schwester. Christine Rauter hatte sich deshalb im Mai dieses Jahres an das Gericht von Figueres gewandt, mit der Bitte, anzuordnen, den Leichnam zu exhumieren.

Die Wiese, in der Evi Rauter bestattet ist. - Foto: © Crims



Die Entscheidung des Richters fiel negativ aus, weil der Fall mit der Identifikation des Leichnams im November 2022 abgeschlossen worden sei. Nächste Station für Christine Rauter ist deshalb die Stadtverwaltung: „Sogar Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg werden noch dank DNA-Analysen identifiziert. Das müsste auch in unserem Fall gehen.“

Rückblick: Fall wird als Suizid verbucht – niemand forscht nach

Was genau mit Evi Rauter geschehen ist, ist weiterhin nicht geklärt: Ihre Familie glaubt nicht an einen Suizid, nichts habe je darauf hingedeutet, dass Evi depressiv gewesen sein könnte. Im Sommer 1990 hatte die 19-Jährige ihre Matura gemacht, dann war sie nach 2 Auslandsaufenthalten noch zu ihrer Schwester Christine in die Toskana gefahren – am 10. September sollte sie eine Arbeitsstelle in Bozen antreten. Ihre Zukunft schien rosig. Doch am 3. September verschwand sie aus der Studentenwohnung in Florenz. Sie hinterließ eine Nachricht, wonach sie nach Siena fahren und am Abend zurückkehren wolle.

Evi (links) und Christine Rauter, wenige Wochen vor dem Verschwinden. - Foto: © privat



Keine 24 Stunden später wurde in Spanien eine Frauenleiche gefunden, die ohne Namen blieb. Erst im Frühjahr 2022 konnte das „Mädchen von Portbou“ identifiziert werden – als die seit 32 Jahren vermisste Evi Rauter aus Lana.

„Viele Menschen nehmen Anteil, der Fall lässt auch sie nicht los“

In ihrer Heimat ist das Gedenken an sie lebendig, genauso wie am Ort ihres Todes, in Portbou: „In dem Jahr, seitdem Evis Identität bekannt geworden ist, ist der Baum zu einer Art Gedenkort geworden. Viele Menschen – besonders junge – nehmen Anteil, sprechen dort ein Gebet oder hinterlassen einen guten Gedanken“, sagt ihre Schwester. „Der Fall bewegt die Menschen.“

Viele Hinweise seien bereits eingegangen; der entscheidende fehlt aber bislang. „Theorien allein bringen uns nicht weiter“, sagt Christine Rauter. „Es braucht Zeugenaussagen.“ Viele Indizien in dem Fall – sogar Evis Kleidung – seien inzwischen vernichtet worden. „Man kann also nicht einmal mehr Fasern oder genetische Spuren an ihnen untersuchen.“

Über 30 Jahre lang musste die Familie in der Ungewissheit leben: „Voriges Jahr hatten wir eine Art Abschluss. Das war wichtig für meine Familie. Aber es geht immer weiter“, sagt Christine Rauter. - Foto: © cri


Journalisten in Spanien und anderswo in Europa lassen weiterhin nicht locker, forschen nach und suchen weiter: „Ihnen ist es auch zu verdanken, dass wir wissen, was mit Evi geschehen ist“, sagt ihre Schwester.


Foto: © maps4news / M. Lemanski


Pathologen und Gerichtsmediziner, Polizisten und Ärzte hatte der Fall über Jahrzehnte nicht losgelassen – der spanische Journalist Carles Porta hatte viele Fakten zusammengetragen und immer wieder darüber berichtet.

Auch ATV wurde auf die Geschichte aufmerksam und sammelte für die Sendung „UngelöstCold Case Austria“ neue Fakten, die am 23. April 2022 ausgestrahlt wurden. Diese Sendung sah eine Südtirolerin, die damals in Österreich war – sie erkannte Evi Rauter wieder und gab den entscheidenden Hinweis. Wer weiß, wann der nächste derartige Hinweis eingeht. „Wir werden damit nie wirklich abschließen“, sagt Christine Rauter.

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